Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

Der Zug ist viel langsamer als alle anderen Demonstrationszüge. Hinter ihm stauen sich die Autos der Sonntagsausflügler. Es ist ein sonderbarer Kontrast – die graue, fast anonyme Masse der schweigend sich dahinschleppenden Kriegsopfer, und dahinter die zurückgestauten Autos der Kriegsgewinnler, murrend, fauchend, ungeduldig, dicht auf den Fersen der Kriegerwitwen, die mit ihren Kindern den Schluß des Zuges bilden, dünn, verhungert, verhärmt und ängstlich. In den Autos prangen die Farben des Sommers, Leinen, Seide, volle Wangen, runde Arme und Gesichter, die verlegen sind, weil sie in diese unangenehme Situation geraten sind. Die Fußgänger auf den Trottoirs sind besser dran; sie schauen einfach weg und zerren ihre Kinder mit, die stehenbleiben und die Verstümmelten erklärt haben wollen. Wer kann, verschwindet durch die Seitenstraßen.

Die Sonne steht hoch, es ist heiß, und die Verwundeten fangen an zu schwitzen. Es ist der ungesunde käsige Schweiß der Blutarmen, der ihnen über die Gesichter rinnt. Hinter ihnen plärrt plötzlich eine Hupe. Jemand hat es nicht ausgehalten; er glaubt, er müsse einige Minuten sparen, und versucht deshalb, halb auf dem Trottoir vorbeizufahren. Alle Verwundeten drehen sich um. Keiner sagt etwas, aber sie ziehen sich auseinander und sperren die Straße. Das Auto müßte sie überfahren, wenn es passieren wollte. Ein junger Mann in einem hellen Anzug, mit einem Strohhut, sitzt mit einem Mädchen darin. Er macht ein paar albernverlegene Gesten und zündet sich eine Zigarette an. Jeder der Verletzten, der an ihm vorbeikommt, sieht ihn an. Nicht aus Vorwurf – er sieht nach der Zigarette, deren würziger Duft über die Straße treibt. Es ist eine sehr gute Zigarette, und keiner der Verwundeten kann sich oft erlauben, überhaupt noch zu rauchen. Deshalb schnuppern sie wenigstens, soviel sie können.

Ich folge dem Zug bis zur Marienkirche. Dort stehen zwei Nationalsozialisten in Uniform mit einem großen Schild:»Kommt zu uns, Kameraden! Adolf Hitler wird Euch helfen!«Der Zug zieht um die Kirche herum.


Wir sitzen in der Roten Mühle. Eine Flasche Champagner steht vor uns. Sie kostet zwei Millionen Mark – soviel wie ein Beinamputierter mit Familie in zwei Monaten an Rente erhält. Riesenfeld hat sie bestellt.

Er sitzt so, daß er die Tanzfläche voll übersehen kann.

»Ich wußte es von Anfang an«, erklärt er mir.»Wollte nur mal sehen, wie ihr mich anschwindeln würdet. Aristokratinnen wohnen nicht gegenüber von kleinen Grabsteingeschäften und nicht in solchen Häusern!«

»Das ist ein erstaunlicher Trugschluß für einen Weltmann wie Sie«, erwidere ich.»Sie sollten wissen, daß Aristokraten fast nur noch so wohnen. Die Inflation hat dafür gesorgt. Es ist aus mit den Palästen, Herr Riesenfeld. Und wenn jemand noch einen hat, vermietet er Zimmer darin. Das ererbte Geld ist dahingeschwunden. Königliche Hoheiten wohnen in möblierten Zimmern, säbelrasselnde Obersten sind zähneknirschend Versicherungsagenten geworden, Gräfinnen -«

»Genug!«unterbricht mich Riesenfeld.»Mir kommen die Tränen! Weitere Aufklärungen sind unnötig. Aber die Sache mit Frau Watzek habe ich immer gewußt. Es hat mich nur amüsiert, euch bei euren plumpen Schwindelversuchen zuzusehen.«

Er schaut hinter Lisa her, die mit Georg einen Foxtrott tanzt. Ich vermeide es, den Odenwald-Casanova daran zu erinnern, daß er Lisa als Französin mit dem Gang eines vollschlanken Panthers klassifiziert hat – es würde den sofortigen Abbruch unserer Beziehungen bedeuten, und wir brauchen dringend Granit.

»Übrigens tut das dem Ganzen keinen Abbruch«, erklärt Riesenfeld versöhnlich.»Ist im Gegenteil noch höher anzusetzen! Diese Rasse, ganz aus dem Volke! Sehen Sie nur, wie sie tanzt! Wie ein – ein -«

»Ein vollschlanker Panther«, half ich aus.

Riesenfeld schielt mich an.»Manchmal verstehen Sie ein bißchen von Frauen«, knurrt er.

»Gelernt – von Ihnen!«

Er prostet mir zu, ahnungslos geschmeichelt.»Ich möchte gern eines von Ihnen wissen«, sage ich.»Ich habe das Gefühl, daß Sie zu Hause im Odenwald ein erstklassiger, ruhiger Bürger und Familienvater sind – Sie haben uns ja vorhin die Fotos Ihrer drei Kinder und Ihres rosenumblühten Hauses gezeigt, zu dessen Mauern Sie aus Prinzip kein Stück Granit verwendet haben, was ich, als verkrachter Poet, Ihnen hoch anrechne -, warum verwandeln Sie sich dann draußen in einen solchen König der Nachtklubs?«

»Um zu Hause mit um so mehr Genuß Bürger und Familienvater zu sein«, erwidert Riesenfeld prompt.

»Das ist ein guter Grund. Aber warum erst der Umweg?«

Riesenfeld grinst.»Es ist mein Dämon. Die doppelte Natur des Menschen. Nie davon gehört, was?«

»Ich nicht? Ich bin eines der Musterbeispiele dafür.«

Riesenfeld lacht beleidigend, ungefähr wie Wernicke morgens.»Sie?«

»Es gibt so etwas auch auf einer etwas geistigeren Ebene«, erkläre ich.

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