Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

Sie schüttelt den Kopf und zeigt auf die Kapelle.»Die dort! Und sie haben ihn darin gefangen«, flüstert sie.»Er kann nicht heraus. Er möchte es. Aber sie haben ihn ans Kreuz genagelt.«

»Wer?«

»Die Priester. Sie halten ihn fest.«

»Das waren andere Priester«, sage ich.»Vor zweitausend Jahren. Nicht diese.«

Sie lehnt sich an mich.»Es sind immer dieselben, Rudolf«, flüstert sie dicht vor mir,»weißt du das nicht? Er möchte hinaus; aber sie halten ihn gefangen. Er blutet und blutet und will vom Kreuz herunter. Sie aber lassen ihn nicht. Sie halten ihn fest in ihren Gefängnissen mit den hohen Türmen und geben ihm Weihrauch und Gebete und lassen ihn nicht hinaus. Weißt du, warum nicht?«

»Nein.«

Der Mond hängt jetzt blaß über den Wäldern im aschefarbenen Blau.»Weil er sehr reich ist«, flüsterte Isabelle.

»Er ist sehr, sehr reich. Sie aber wollen sein Vermögen behalten. Wenn er herauskäme, würde er es zurückbekommen, und dann wären sie alle plötzlich arm. Es ist wie mit jemand, den man hier oben einsperrt; andere verwalten dann sein Vermögen und tun damit, was sie wollen, und leben wie reiche Leute. So wie bei mir.«

Ich starre sie an. Ihr Gesicht ist angespannt, aber es verrät nichts.»Was meinst du damit?«frage ich.

Sie lacht.»Alles, Rudolf. Du weißt es doch auch! Man hat mich hierhergebracht, weil ich im Wege war. Sie wollen mein Vermögen behalten. Wenn ich herauskäme, müßten sie es mir zurückgeben. Es macht nichts; ich will es nicht haben.«

Ich starre sie immer noch an.»Wenn du es nicht haben willst, kannst du es ihnen doch erklären; dann wäre kein Grund mehr da, dich hierzuhalten.«

»Hier oder anderswo – das ist doch alles dasselbe. Warum dann nicht hier? Hier sind sie wenigstens nicht. Sie sind wie die Mükken. Wer will mit Mücken leben?«Sie beugt sich vor.»Deshalb verstelle ich mich«, flüstert sie.

»Du verstellst dich?«

»Natürlich! Weißt du das nicht? Man muß sich verstellen, sonst schlagen sie einen ans Kreuz. Aber sie sind dumm. Man kann sie täuschen.«

»Täuschst du auch Wernicke?«

»Wer ist das?«

»Der Arzt.«

»Ach der! Der will mich nur heiraten. Er ist wie die anderen. Es gibt so viele Gefangene, Rudolf, und die draußen haben Angst davor. Aber drüben der am Kreuz – vor dem haben sie die meiste Angst.«-»Wer?«

»Alle, die ihn benützen und von ihm leben. Es sind unzählige. Sie sagen, sie wären gut. Aber sie richten viel Böses an. Wer einfach böse ist, kann wenig tun. Man sieht es und nimmt sich vor ihm in acht. Aber die Guten – was die alles tun! Ach, sie sind blutig!«

»Das sind sie«, sage ich, selbst merkwürdig erregt durch die flüsternde Stimme im Dunkel.»Sie haben entsetzlich viel angerichtet. Wer selbstgerecht ist, ist unbarmherzig.«

»Geh nicht mehr hin, Rudolf«, flüstert Isabelle weiter.»Sie sollen ihn freilassen! Den am Kreuz. Er möchte auch einmal lachen und schlafen und tanzen.«

»Glaubst du?«

»Jeder möchte das, Rudolf. Sie sollen ihn freilassen. Aber er ist zu gefährlich für sie. Er ist nicht wie sie. Er ist der Gefährlichste von allen – er ist der Gütigste.«

»Halten sie ihn deshalb fest?«

Isabelle nickt. Ihr Atem streift mich.»Sie müßten ihn sonst wieder ans Kreuz schlagen.«

»Ja«, sage ich,»das glaube ich auch. Sie würden ihn wieder töten; dieselben, die ihn heute anbeten. Sie würden ihn töten, so wie man Unzählige in seinem Namen getötet hat. Im Namen der Gerechtigkeit und der Nächstenliebe.«

Isabelle fröstelt.»Ich gehe nicht mehr hin«, sagt sie und deutet auf die Kapelle.»Sie sagen immer, man müsse leiden. Die schwarzen Schwestern. Warum, Rudolf?«

Ich antworte nicht.

»Wer macht, daß wir leiden müssen?«fragt sie und drängt sich gegen mich.

»Gott«, sage ich bitter.»Wenn es ihn gibt. Gott, der uns alle geschaffen hat.«

»Und wer bestraft Gott dafür?«

»Was?«

»Wer bestraft Gott dafür, daß er uns leiden macht? Hier bei den Menschen kommt man ins Gefängnis oder wird aufgehängt, wenn man das tut. Wer hängt Gott auf?«

»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, sage ich.»Ich werde das einmal den Vikar Bodendiek fragen.«

Wir gehen durch die Allee zurück. Ein paar Glühwürmchen fliegen durch das Dunkel. Isabelle bleibt plötzlich stehen.

»Hast du das gehört?«fragt sie.

»Was?«

»Die Erde. Sie hat einen Sprung gemacht, wie ein Pferd. Als Kind hatte ich Angst, ich würde herunterfallen, wenn ich schliefe. Ich wollte festgebunden werden in meinem Bett. Kann man der Schwerkraft trauen?«

»Ja. Ebenso wie dem Tod.«

»Ich weiß es nicht. Bist du noch nie geflogen?«

»In einem Flugzeug?«

»Flugzeug«, sagt Isabelle mit leichter Verachtung.»Das kann jeder. Im Traum.«

»Ja. Aber kann das nicht auch jeder?«

»Nein.«

»Ich glaube, jeder Mensch träumt einmal, daß er fliegt. Es ist einer der häufigsten Träume, die es gibt.«

»Siehst du!«sagt Isabelle.»Und du traust der Schwerkraft. Wenn sie nun eines Tages aufhört? Was dann? Dann fliegen wir herum wie Seifenblasen! Wer ist dann Kaiser? Der, der am meisten Blei an die Füße gebunden hat, oder der mit den längsten Armen? Und wie kommt man von einem Baum herunter?«

»Das weiß ich nicht. Aber selbst Blei hülfe nicht. Es wäre dann auch leicht wie Luft.«

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