Nun waren sie also dazu verurteilt, für immer in Sonnennähe zu bleiben. Mit dem gewöhnlichen, für interplanetare Flüge bestimmten „Treibstoff“ zur Wega zu fliegen war völlig sinnlos.
Solch ein Flug hätte Jahrtausende gedauert.
Auf die Hilfe anderer Phaetonen konnten Iaja und seine Gefährten nicht rechnen — sie waren nicht das erste Raumschiff, das im Laufe der Evakuierung verschollen war.
Der Schlußakt ihrer Tragödie begann.
Die acht Phaetonen ertrugen den unerwarteten Schlag offenbar mannhaft. Ihren Auftrag, den Erdenmenschen Kunde von sich zu hinterlassen, erfüllten sie exakt, so gut, wie es in ihren Kräften stand.
Das Bruchstück des Phaeton hatte ihnen nämlich nicht nur die Möglichkeit geraubt, die neue Heimat zu erreichen, es vernichtete auch vieles von dem, was für die Menschen bestimmt gewesen war. Darunter alle „Filme“.
So blieb den Phaetonen nur eine Möglichkeit: Sie „filmten“ Iaja, legten seine Darstellung in einen vereinfachten Apparat ein, montierten eine „sprechende“ Maschine und flogen, nachdem sie den Aufbewahrungsort fest verschlossen hatten, zur Arsena und schließlich zur Venus.
Darüber, wie die Phaetonen es fertiggebracht hatten, ihr Raumschiff zu reparieren, sagte Iaja nichts.
Nachdem der Phaetone verstummt war und regungslos vor den Menschen stand, als warte er auf weitere Fragen, schwiegen die versammelten Menschen lange. Der Bericht hatte sie erschüttert. Jeder von ihnen dachte unwillkürlich, was wäre, wenn der Erde das Schicksal des Phaeton drohte. Wären auch die Menschen imstande, die notwendigen Rettungsmaßnahmen diszipliniert und einträchtig durchzuführen? Aus Iajas Bericht war ersichtlich, daß die Phaetonen wie eine große Familie gelebt hatten, daß sie gemeinschaftlich und nach einem einheitlichen Plan vorgegangen waren. Deswegen hatten sie auch über die Kräfte der Natur gesiegt. Was würde in gleicher Situation auf der Erde geschehen?
Die nächste Frage stellte Kamow: „Wie ist Ihrer Meinung nach die Verbindung zwischen uns und Ihren Nachkommen herzustellen?“ Iaja antwortete. Die Phaetonen hatten die Frage vorausgesehen.
„Drehen Sie sich um!“ sagte er.
Die zwölf wandten sich der gegenüberliegenden Wand zu.
Sie verschwand und gab das, was hinter ihr lag, den Blicken preis. Etwas, das aus Kristall und Stahl zu bestehen schien, wurde sichtbar.
„Zu meiner Zeit“, sagte Iaja, „kannten wir noch kein Verfahren, eine Nachrichtenverbindung zwischen so weit voneinander entfernten Planeten herzustellen. Aber unsere Wissenschaft war der Lösung dieses Problems schon ziemlich nahegekommen. Das, was Sie vor sich sehen, ist nicht von uns aufgestellt. Wir wußten noch nicht, was es sein wird. Wir waren jedoch fest überzeugt, daß es einmal Wirklichkeit würde. Ich bin sicher, daß Sie den Apparat sehen. Mit seiner Hilfe werden Sie erfahren, was ich nicht weiß.“ Der Apparat aus Kristall und Stahl war später aufgestellt worden, lange nach dem Bau des Aufbewahrungsortes. Die Phaetonen hatten sich zu diesem Zweck eigens von der Wega zur Erde begeben. Wer weiß, vielleicht lag das noch gar nicht so lange zurück!
Die zwölf stellten Iaja noch viele Fragen.
Manchmal beantwortete er sie, manchmal auch nicht. Fragen wissenschaftlicher oder technischer Art beantwortete er grundsätzlich nicht.
Die Unterhaltung dauerte vier Stunden. Die Menschen verstanden Iaja immer besser. Ihr Gehirn gewöhnte sich allmählich daran, fremde Gedanken aufzunehmen.
Zum Schluß sagte Iaja: „Bald werden Sie Besuch von unseren Wissenschaftlern bekommen. Sie werden mehr wissen, als ich wußte, und werden die Fragen, die Sie mir gestellt und auf die Sie keine Antwort erhalten haben, besser beantworten. Für Sie beginnt jetzt eine neue Epoche. Seien Sie bereit, den Wissensschatz einer alten Welt zu übernehmen. Und nun leben Sie wohl! Bewahren Sie“ uns, die wir Sie nicht gekannt, aber geliebt haben, im Gedächtnis.“ Iaja verschwand. Wieder tauchte vor den Menschen die matte, in gelbgrauem Glanz schimmernde Metallwand auf. Keine „Befehle“ würden sie mehr dazu bringen, abermals zu verschwinden und Iajas Erscheinung noch einmal zu zeigen. Diesmal war alles endgültig vorbei.
Wie seine sieben Gefährten war Iaja in grauer Vorzeit auf der fernen Venus gestorben und sein Leichnam in der blauen Flamme der steinernen Schale verbrannt.
Doch die ihm und seinen Gefährten gestellte Aufgabe war erfüllt.
Die Menschen der Erde hatten erfahren, daß irgendwo in der Nähte der Wega menschliche Brüder existierten und wie sie sie herbeirufen konnten.
Zweiter und letzter Epilog
An einer der Kristallfacetten des geheimnisvollen Apparates sprang ein blauer Knopf in die Augen. Er war durch einen Splint gesichert, damit der Mechanismus nur durch den ausdrücklichen Willen der Menschen, nicht aber versehentlich ausgelöst werden konnte.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen.
Kamow zog den Splint vorsichtig heraus. Das ging ganz leicht, als sei der Metallstift nicht vor undenklichen Zeiten, sondern erst tags zuvor angebracht worden.
Was würde weiter geschehen?