Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

Frau Knopf schließt die Tür hinter sich. Nur noch Lisa, Georg und ich stehen draußen.»Der Arzt glaubt auch, daß er stirbt, was?«fragt Lisa.

Georg nickt. Sein purpurner Pyjama wirkt schwarz in der späten Nacht. Lisa fröstelt und bleibt stehen.»Servus«, sage ich und lasse sie allein.

Von oben sehe ich die Witwe Konersmann als Schatten vor ihrem Hause patrouillieren. Sie lauert immer noch auf Brüggemanu. Nach einer Weile höre ich, wie unten leise die Tür zugezogen wird. Ich starre in die Nacht und denke an Knopf und dann an Isabelle. Gerade als ich schläfrig werde, sehe ich die Witwe Konersmann die Straße kreuzen. Sie glaubt wahrscheinlich, daß Brüggemann sich versteckt habe, und leuchtet unsern Hof nach ihm ab. Vor mir am Fenster liegt immer noch das alte Regenrohr, mit dem ich Knopf einst erschreckt habe. Fast bereue ich es jetzt, aber dann erblicke ich den wandernden Lichtkreis auf dem Hof und kann nicht widerstehen. Vorsichtig beuge ich mich vor und hauche mit tiefer Stimme hinein:»Wer stört mich hier?«und füge einen Seufzer hinzu. Die Witwe Konersmann steht bocksteif. Dann zittert der Lichtkreis frenetisch über Hof und Denkmäler.»Gott sei auch deiner Seele gnädig -«, hauche ich. Ich hätte gern in Brüggemanns Tonart geredet, beherrsche mich aber – auf das, was ich bis jetzt gesagt habe, kann mich die Konersmann nicht verklagen, wenn sie rausfindet, was los ist.

Sie findet es nicht heraus. Sie schleicht an der Mauer entlang zur Straße und rast zu ihrer Haustür hinüber. Ich höre noch, daß sie einen Schluckauf bekommt, dann ist alles still.

XXI

Ich vertreibe vorsichtig den ehemaligen Briefträger Roth, einen kleinen Mann, dessen Amtsbezirk während des Krieges unser Stadtteil gewesen ist. Roth war ein empfindsamer Mensch und nahm es sich sehr zu Herzen, daß er damals so oft zum Unglücksboten werden mußte. In all den Jahren des Friedens hatte man ihm immer freudig entgegengesehen, wenn er Post brachte; im Kriege aber wurde er mehr und mehr eine Gestalt, die fast nurmehr Furcht einflößte. Er brachte die Einziehungsbefehle der Armee und die gefürchteten amtlichen Kuverts mit dem Inhalt:»Auf dem Felde der Ehre gefallen«, und je länger der Krieg dauerte, um so öfter brachte er sie, und sein Kommen weckte Jammer, Flüche und Tränen. Als er dann eines Tages sich selbst eines der gefürchteten Kuverts zustellen mußte und eine Woche später ein zweites, da war es aus mit ihm. Er wurde still und auf eine sanfte Weise verrückt und mußte von der Postverwaltung pensioniert werden. Damit war er, wie so viele andere, zum langsamen Hungertode während der Inflation verurteilt, da alle Pensionen immer viel zu spät aufgewertet wurden. Ein paar Bekannte nahmen sich des einsamen alten Mannes an, und ein paar Jahre nach dem Kriege begann er wieder auszugehen; doch sein Geist blieb verwirrt. Er glaubt, immer noch Briefträger zu sein, und geht mit einer alten Berufskappe umher, um den Leuten weiter Nachrichten zu bringen; aber nach all den Unglücksmeldungen will er jetzt gute bringen. Er sammelt alte Briefumschläge und Postkarten, wo er sie findet, und teilt sie dann aus als Nachrichten aus russischen Gefangenenlagern. Die Totgeglaubten seien noch am Leben, erklärt er dazu. Sie seien nicht gefallen. Bald kämen sie heim.

Ich betrachte die Karte, die er mir dieses Mal in die Hand gedrückt hat. Es ist eine uralte Drucksache mit der Aufforderung, an der Preußischen Kassenlotterie teilzunehmen; ein blödsinniger Witz heute, in der Inflation. Roth muß sie irgendwo aus einem Papierkorb gefischt haben; sie ist an einen Schlächter Sack gerichtet, der lange tot ist.»Danke vielmals«, sage ich.»Das ist eine rechte Freude!«

Roth nickt.»Sie kommen jetzt bald heim aus Rußland, unsere Soldaten.«

»Ja, natürlich.«

»Sie kommen alle heim. Es dauert nur etwas lange. Rußland ist so groß.«

»Ihre Söhne auch, hoffe ich.«

Roths verwaschene Augen beleben sich.»Ja, meine auch. Ich habe schon Nachricht.«

»Noch einmal vielen Dank«, sage ich.

Roth lächelt, ohne mich anzusehen, und geht weiter. Die Postverwaltung hat anfangs versucht, ihn von seinen Gängen abzuhalten, und sogar seine Einsperrung beantragt; doch die Leute haben sich widersetzt, und man läßt ihn jetzt in Ruhe. In einer rechtspolitischen Kneipe sind allerdings ein paar Stammgäste vor kurzem einmal auf die Idee gekommen, Roth mit Briefen, in denen unflätige Beschimpfungen standen, zu politischen Gegnern zu schicken – ebenso mit zweideutigen Briefen zu alleinstehenden Frauen. Sie fanden das zwerchfellerschütternd. Auch Heinrich Kroll fand, es sei kerniger, volkstümlicher Humor. Heinrich ist in der Kneipe, unter seinesgleichen, überhaupt ein ganz anderer Mann als bei uns; er gilt da sogar als Witzbold.

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