Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

Roth hat natürlich längst vergessen, in welchen Häusern Leute gefallen sind. Er verteilt seine Karten wahllos, und obschon ein Beobachter der nationalen Biertrinker mitging und aufpaßte, daß die beleidigenden Briefe des Stammtisches an die richtigen Adressen gelangten, indem er Roth die Häuser zeigte und sich dann versteckte, passierte doch ab und zu ein Irrtum, und Roth verwechselte ein paar Briefe. So kam einer, der an Lisa gerichtet war, an den Vikar Bodendiek. Er enthielt eine Aufforderung zum Geschlechtsverkehr um ein Uhr nachts im Gebüsch hinter der Marienkirche gegen das Entgelt von zehn Millionen Mark. Bodendiek beschlich die Beobachter wie Indianer, trat plötzlich zwischen sie, schlug zweien, ohne zu fragen, die Schädel zusammen und gab dem flüchtenden dritten einen so furchtbaren Fußtritt, daß er in die Luft gehoben wurde und nur mit Mühe entkommen konnte. Erst dann stellte Bodendiek, ein Meister in der Kunst, rasche Beichten zu erzielen, an die beiden Gefangenen seine Fragen, die durch Ohrfeigen mit seinen riesigen Bauernpfoten unterstützt wurden. Die Bekenntnisse kamen bald, und da die beiden Erwischten katholisch waren, stellte er ihre Namen fest und befahl sie am nächsten Tag entweder zur Beichte oder zur Polizei. Sie kamen natürlich lieber zur Beichte. Bodendiek gab ihnen das Ego te absolvo, befolgte dabei aber das Rezept des Dompastors mit mir – er befahl ihnen, als Buße eine Woche nicht zu trinken und dann wieder zum Beichten zu kommen. Da beide fürchteten, exkommuniziert zu werden, wenn sie die Buße nicht ausführten, und da sie es nicht soweit kommen lassen wollten, mußten sie wieder erscheinen, und Bodendiek verdonnerte sie erbarmungslos, jede folgende Woche wieder zu beichten und nicht zu trinken, und machte so aus ihnen zähneknirschende, abstinente, erstklassige Christen. Er erfuhr nie, daß der dritte Sünder der Major Wolkenstein war, der nach dem Fußtritt eine Prostatakur durchmachen mußte, dadurch politisch noch bedeutend schärfer wurde und schließlich zu den Nazis überging.


Die Türen zum Hause Knopf stehen offen. Die Nähmaschinen summen. Am Morgen sind Stöße von schwarzem Tuch hereingeschafft worden, und Mutter und Töchter arbeiten jetzt an ihren Trauerkleidern. Der Feldwebel ist noch nicht tot, aber der Arzt hat erklärt, daß es nur noch eine Sache von Stunden oder höchstens Tagen sein könne. Er hat Knopf aufgegeben. Da die Familie es als schweren Reputationsverlust betrachten würde, in hellen Kleidern dem Tode zu begegnen, wird eilig vorgesorgt. Im Augenblick, wo Knopf den letzten Atemzug tut, wird die Familie gerüstet sein mit schwarzen Kleidern, einem Trauerschleier für Frau Knopf, schwarzen, undurchsichtigen Strümpfen für alle vier, und sogar mit schwarzen Hüten. Der kleinbürgerlichen Ehrbarkeit wird Genüge getan sein.

Georgs kahler Kopf schwimmt wie ein halber Käse über den Fensterrand heran. Er ist begleitet von Tränen-Oskar.

»Wie steht der Dollar?«frage ich, als sie eintreten.

»Genau eine Milliarde heute um zwölf Uhr«, erwidert Georg.»Wir können es als Jubiläum feiern, wenn wir wollen.«

»Das können wir. Und wann sind wir pleite?«

»Wenn wir ausverkauft haben. Was trinken Sie, Herr Fuchs?«

»Was Sie haben. Schade, daß es hier in Werdenbrück keinen Wodka gibt!«

»Wodka? Waren Sie im Kriege in Rußland?«

»Und wie! Ich war sogar Friedhofskommandant in Rußland. Was waren das für herrliche Zeiten!«

Wir blicken Oskar überrascht an.»Herrliche Zeiten?«sage ich.»Das behaupten Sie, der Sie so feinfühlig sind, daß Sie sogar auf Befehl weinen können?«

»Es waren herrliche Zeiten«, erklärt Tränen-Oskar fest und beriecht seinen Korn, als hätten wir vor, ihn zu vergiften.»Reichlich zu essen, gut zu trinken, angenehmer Dienst, weit hinter der Front – was will man mehr? An den Tod gewöhnt der Mensch sich ja wie an eine ansteckende Krankheit.«

Er probiert dandyhaft seinen Korn. Wir sind etwas perplex über die Tiefe seiner Philosophie.»Manche Leute gewöhnen sich an den Tod auch wie an einen vierten Mann beim Skatspielen«, sage ich.»Zum Beispiel der Totengräber Liebermann. Für den ist es so, als ob er auf dem Friedhof einen Garten bearbeitet. Aber ein Künstler wie Sie -!«

Oskar lächelt überlegen.»Da ist noch ein Riesenunterschied! Liebermann fehlt das wirkliche metaphysische Feingefühl: das ewige Stirb und Werde.«

Georg und ich sehen uns betroffen an. Sollte Tränen-Oskar ein verhinderter Poet sein?»Haben Sie das dauernd?«frage ich.»Dieses Stirb und Werde?«

»Mehr oder minder. Zumindest unbewußt. Haben Sie es hier denn nicht, meine Herren?«

»Wir haben es mehr sporadisch«, erwidere ich.»Hauptsächlich vor dem Essen.«

»Einmal war der Besuch Seiner Majestät bei uns angesagt«, sagt Oskar träumerisch.»Gott, war das eine Aufregung! Zum Glück waren noch zwei andere Friedhöfe in der Nähe, und wir konnten ausborgen.«

»Was ausborgen?«fragt Georg.»Grabschmuck? Oder Blumen?«

»Ach, das war alles in Ordnung. Echt preußisch, verstehen Sie? Nein, Leichen.«

»Leichen?«

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