»Nun bitte ich euch, zu zweit zusammenzugehen. Nehmt euch eine Teetasse vom Regal dort drüben, kommt dann zu mir und laßt sie füllen, dann setzt euch und trinkt; trinkt, bis nur noch der Bodensatz übrig ist. Schwenkt diese dreimal mit der linken Hand, stülpt die Tasse auf die Untertasse und gebt sie dann eurem Partner zum Lesen. Ihr könnt die Muster anhand der Seiten fünf und sechs in Entnebelung der Zukunft sicher leicht deuten. Ich werde an die Tische kommen und euch ein wenig helfen. Oh, und, mein Lieber -«, sie packte Neville, der gerade aufstehen wollte, am Arm,»wenn du die erste Tasse zerbrochen hast, wärst du dann so nett, eine mit blauem Muster zu nehmen? Ich hänge ziemlich an den rosafarbenen.«
Und kaum hatte Neville das Regal mit den Teetassen erreicht, als auch schon das Klirren zerbrechenden Porzellans zu hören war. Professor Trelawney huschte mit Schippe und Besen zu ihm hinüber und sagte:» jetzt eine von den blauen, mein Lieber, wenn es dir nichts ausmacht… ich danke dir…«
Harry und Ron ließen sich die Teetassen füllen und gingen zurück an ihren Tisch, wo sie den brühend heißen Tee so rasch wie möglich tranken. Sie schwenkten die verbliebenen Teeblätter, wie Professor Trelawney gesagt hatte, dann tranken sie den letzten Rest aus und stülpten die Tassen um.
»Dann leg mal los«, sagte Ron, während sie ihre Bücher aufschlugen,»was kannst du bei mir sehen?«
»Eine Menge nasses braunes Zeugs«, sagte Harry. Der schwer parfümierte Rauch im Zimmer machte ihn schläfrig und ließ sein Denken erlahmen.
»Erweitert euren Horizont, meine Lieben, und erlaubt euren Augen, über den schnöden Alltag hinauszusehen!«, rief Professor Trelawney durch die Düsternis.
Harry gab sich einen Ruck.
»Hier, du hast so ein schiefes Kreuz…«, sagte er, das Buch zu Rate ziehend.»Das bedeutet, dir stehen >Prüfungen und Leiden< bevor – tut mir Leid für dich – aber das hier sieht aus wie eine Sonne… wart mal… das bedeutet >großes Glück<. Also wirst du leiden, aber sehr glücklich sein…«
»Du solltest mal dein Inneres Auge untersuchen lassen, wenn du mich fragst«, sagte Ron und beide mußten sich das Lachen verkneifen, denn Professor Trelawney schaute gerade in ihre Richtung.
»Ich bin dran…«Ron lugte in Harrys Untertasse, die Stirn vor Anstrengung gerunzelt.»Da ist eine Blase, sieht aus wie ein Hut – eine Melone«, sagte er.»Vielleicht arbeitest du mal für das Zaubereiministerium…«
Er drehte die Untertasse in der Hand.
»Aber so sieht es eher wie eine Eichel aus… was ist das denn?«Er überflog die Seiten von Entnebelung der Zukunft.»>Ein unerwarteter Goldgewinn<.«Toll, du kannst mir was leihen… und da ist noch was.«Wieder drehte er die Untertasse.»Sieht aus wie ein Tier… ja, wenn das sein Kopf wäre… sieht aus wie ein Pferd… nein, ein Schaf…«
Professor Trelawney wirbelte herum, als Harry schnaubend auflachte.
»Laß mich das sehen, mein Lieber«, sagte sie vorwurfsvoll zu Ron, schwebte herüber und schnappte ihm Harrys Untertasse aus der Hand. Alle verstummten und sahen zu.
Professor Trelawney starrte auf die Blätter und drehte sie dabei gegen den Uhrzeigersinn.
»Der Falke… mein Lieber, du hast einen Todfeind.«
»Aber das wissen doch alle«, flüsterte Hermine so laut, daß jeder es hörte. Professor Trelawney starrte sie an.
»Ja, ist doch wahr«, sagte Hermine.»Alle kennen die Geschichte von Harry und Du-weißt-schon-wem.«
Harry und Ron starrten sie mit einer Mischung aus Verblüffung und Bewunderung an. Nie zuvor hatten sie Hermine so zu einem Lehrer sprechen gehört. Professor Trelawney zog es vor, nicht zu antworten. Wieder senkte sie ihre riesigen Augen auf Harrys Untertasse und drehte sie weiter in den Händen.
»Der Schlagstock… ein Angriff. Meine Güte, das ist keine schöne…«
»Ich dachte, das sei eine Melone«, sagte Ron verdruckst.
»Der Schädel… da wartet Gefahr auf dich, mein Lieber…«
Alle starrten wie gebannt auf Professor Trelawney, die die Untertasse noch einmal drehte, den Atem anhielt und dann schrie.
Wieder klirrte zerbrechendes Porzellan; Neville hatte seine zweite Tasse fallen gelassen. Professor Trelawney sank in einen freien Lehnstuhl, die glitzernde Hand ans Herz gepreßt und die Augen geschlossen.
»Mein lieber Junge… mein armer lieber Junge… nein… besser, wenn ich es nicht sage… nein… fragt mich nicht…«
»Was ist es, Professor?«, fragte Dean Thomas sofort. Alle waren aufgesprungen, scharten sich langsam um Harrys und Rons Tisch und drängelten sich um Professor Trelawneys Sessel, um gute Sicht auf Harrys Untertasse zu haben.
»Mein Lieber«, sagte Professor Trelawney und ihre Augen weiteten sich dramatisch,»du hast den Grimm.«
»Den was?«, sagte Harry.
Er sah, daß er nicht der Einzige war, der nicht begriff; Dean Thomas sah ihn schulterzuckend an und Lavender Brown machte eine ratlose Miene, doch fast alle andern klatschten entsetzt die Hände vor den Mund.