Читаем Im Westen nichts Neues полностью

Er ist tot, sage ich mir, er muß tot sein, er fühlt nichts mehr – was da röchelt, ist nur noch der Körper. Doch der Kopf versucht sich zu heben, das Stöhnen wird einen Moment stärker, dann sinkt die Stirn wieder auf den Arm zurück. Der Mann ist nicht tot, er stirbt, aber er ist nicht tot. Ich schiebe mich heran, halte inne, stütze mich auf die Hände, rutsche wieder etwas weiter, warte – weiter, einen gräßlichen Weg von drei Metern, einen langen, furchtbaren Weg.

Endlich bin ich neben ihm.

Da schlägt er die Augen auf. Er muß mich noch gehört haben und sieht mich mit einem Ausdruck furchtbaren Entsetzens an. Der Körper liegt still, aber in den Augen ist eine so ungeheure Flucht, daß ich einen Moment glaube, sie würden die Kraft haben, den Körper mit sich zu reißen. Hunderte von Kilometern weit weg mit einem einzigen Ruck. Der Körper ist still, völlig ruhig, ohne Laut jetzt, das Röcheln ist verstummt, aber die Augen schreien, brüllen, in ihnen ist alles Leben versammelt zu einer unfaßbaren Anstrengung, zu entfliehen, zu einem schrecklichen Grausen vor dem Tode, vor mir.

Ich knicke in den Gelenken ein und falle auf die Ellbogen.

»Nein, nein«, flüstere ich.

Die Augen folgen mir. Ich bin unfähig, eine Bewegung zu machen, solange sie da sind.

Da fällt seine Hand langsam von der Brust, nur ein geringes Stück, sie sinkt um wenige Zentimeter, doch diese Bewegung löst die Gewalt der Augen auf. Ich beuge mich vor, schüttelte den Kopf und flüstere:»Nein, nein, nein«, ich hebe eine Hand, ich muß ihm zeigen, daß ich ihm helfen will, und streiche über seine Stirn.

Die Augen sind zurückgezuckt, als die Hand kam, jetzt verlieren sie ihre Starre, die Wimpern sinken tiefer, die Spannung läßt nach. Ich öffne ihm den Kragen und schiebe den Kopf bequemer zurecht.

Der Mund steht halb offen, er bemüht sich, Worte zu formen. Die Lippen sind trocken. Meine Feldflasche ist nicht da, ich habe sie nicht mitgenommen. Aber es ist Wasser in dem Schlamm unten im Trichter. Ich klettere hinab, ziehe mein Taschentuch heraus, breite es aus, drücke es hinunter und schöpfe mit der hohlen Hand das gelbe Wasser, das hindurchquillt.

Er schluckt es. Ich hole neues. Dann knöpfe ich seinen Rock auf, um ihn zu verbinden, wenn es geht. Ich muß es auf jeden Fall tun, damit die drüben, wenn ich gefangen werden sollte, sehen, daß ich ihm helfen wollte, und mich nicht l erschießen. Er versucht sich zu wehren, doch die Hand ist zu schlaff dazu. Das Hemd ist verklebt und läßt sich nicht beiseite schieben, es ist hinten geknöpft. So bleibt nichts übrig, als es aufzuschneiden.

Ich suche das Messer und finde es wieder. Aber als ich anfange, das Hemd zu zerschneiden, öffnen sich die Augen noch einmal, und wieder ist das Schreien darin und der wahnsinnige Ausdruck, so daß ich sie zuhalten, zudrücken muß und flüstern:»Ich will dir ja helfen, Kamerad, camarade, camarade, camarade -«, eindringlich das Wort, damit er es versteht.

Drei Stiche sind es. Meine Verbandspäckchen bedecken sie, das Blut läuft darunter weg, ich drücke sie fester auf, da stöhnt er.

Es ist alles, was ich tun kann. Wir müssen jetzt warten, warten.


* * *


Diese Stunden. – Das Röcheln setzt wieder ein – wie langsam stirbt doch ein Mensch! Denn das weiß ich: er ist nicht zu retten. Ich habe zwar versucht, es mir auszureden, aber mittags ist dieser Vorwand vor seinem Stöhnen zerschmolzen, zerschossen. Wenn ich nur meinen Revolver nicht beim Kriechen verloren hätte, ich würde ihn erschießen. Erstechen kann ich ihn nicht.

Mittags dämmere ich an der Grenze des Denkens dahin. Hunger zerwühlt mich, ich muß fast weinen darüber, essen zu wollen, aber ich kann nicht dagegen ankämpfen. Mehrere Male hole ich dem Sterbenden Wasser und trinke auch selbst davon.

Es ist der erste Mensch, den ich mit meinen Händen getötet habe, den ich genau sehen kann, dessen Sterben mein Werk ist. Kat und Kropp und Müller haben auch schon gesehen, wenn sie jemand getroffen haben, vielen geht es so, im Nahkampf ja oft – Aber jeder Atemzug legt mein Herz bloß. Dieser Sterbende hat die Stunden für sich, er hat ein unsichtbares Messer, mit dem er mich ersticht: die Zeit und meine Gedanken.

Ich würde viel darum geben, wenn er am Leben bliebe. Es ist schwer, dazuliegen und ihn sehen und hören zu müssen.

Nachmittags um drei Uhr ist er tot.

Ich atme auf. Doch nur für kurze Zeit. Das Schweigen erscheint mir bald noch schwerer zu ertragen als das Stöhnen. Ich wollte, das Röcheln wäre wieder da, stoßweise, heiser, einmal pfeifend leise und dann wieder heiser und laut.

Es ist sinnlos, was ich tue. Aber ich muß Beschäftigung haben. So lege ich den Toten noch einmal zurecht, damit er bequemer liegt, obschon er nichts mehr fühlt. Ich schließe ihm die Augen. Sie sind braun, das Haar ist schwarz, an den Seiten etwas lockig.

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