Er reiste mit seiner zweiten Frau K. N. Bugaeva drei Mai in den Kaukasus. Die erste Reise führte ihn von April bis Juli 1927 nach Batumi und Tbilisi, eine zweite im Mai bis August 1928 emeut nach Georgien, von wo aus er Ende Mai eine einwöchentliche Stippvisite nach Armenien untemahm. Im Frühjahr und Sommer 1929 weilte er nochmals in Armenien[254]
.Die Reisen in den Kaukasus boten den Ausbruch aus der Isolation, in die Belyj nach seiner Rückkehr aus Deutschland geraten war. Die Begegnung mit der sozialen und literarischen Gegenwart gestaltete sich «mild», derm in Georgien war der ideologische Druck nicht so stark spürbar wie in den sowjetischen Metropolen. Belyj fand begeisterte Aufnahme bei den georgischen Künstlem, die sich seines früheren Ruhmes erinnerten und ihn als Klassiker feierten, ihn zu Vorträgen einluden und ihm damit jenen Respekt erwiesen, den er in Moskau und Petersburg schmerzlich vermisste[255]
.Die Eindrücke der ersten Reise verarbeitete er in einem Tagebuch, das er 1928 unter dem Titel «Veter s Kavkaza» publizierte. Mit Belyjs zweiter Kaukasusreise war dann schon ein kulturpolitischer Auftrag verbunden, nämlich die Umgestaltung des nunmehr sowjetischen Armeniens zu dokumentieren. Der Bericht folgte einem Programm, das drei Punkte organisch verbinden sollte:
Мне интересны: природа, строительство новой Армении, даже развалины многостолетние[256]
.Der Text besteht aus acht Kapiteln, die im wesentlichen die Reiseroute wiedergeben[257]
: Mit den Ortsbezeichnungen sind Akzentsetzungen verbunden: Ečmiadzin, die alte Hauptstadt, steht für Kultur, Ajger-Lič (etwa 15 km von Erevan entfemt) für die neue Zeit, das Wasserkraftwerk.Anders als das Georgienbuch, das ungeordnet Impressionen zur Natur, den Sehenswürdigkeiten und Begegnungen mit Künstlern und Intellektueilen russischer und georgischer Provinienz in Tagebuchform einfängt, herrscht im Armenienbericht verdichtete Symbolik. Stärker als die Reise nach Georgien wurde, wie Carmen Sippl treffend feststellt, der Aufenthalt in Armenien vom Autor explizit als Begegnung mit dem Fremden, als «Sich Entfemen von Europa, als Annäherung an Asien» dargestellt[258]
. Doch geht es dabei nicht um die Abgrenzung vom Eigenen, Zivilisatorischen, sondern eher im Gegenteil, wird, ähnlich wie bei Brjusov, dessen Armenien-Texte er kannte, «die Herkunft Armeniens aus den wechselvollen alten Kulturen, der persischen, somerischen, assyrischen, babylonischen, die Ankunft griechischer Krieger, als Urszene der Menschheitskultur, als Urbild steingewordener Geschichte, augenfÄllig gemacht»[259].Belyj formt sein Armenien-Bild stets aus dem Zusammenspiel von Natur, Kultur und Physiognomie der Bewohner:
Земля — с древним запахом: в чобры и мяты влиты испарения староармянской и староперсидской культур (…); здесь жив Вавилон: поглядите на бритые профили, губы, носы ериванцев, представьте к ним длинные клины бород завитых, — вы узнаете фрески (…)… профиль армянский — вполне вавилонский (…) Здесь «аирик» (или батюшка) более напоминает жреца вавилонского, вышедшего из Ваалова капища, — не христианского. (…) Впаяны древности в почву; и камни природные — передряхрели скульптуру; и статуи, треснувши, в землю уйдя, поднимают кусты; не поймёшь, что ты видишь: природу ль, культуру ль?[260]
Großen Raum nehmen die Erinnerungen an die Verheerungen ein, die Armenien als Spielball zwischen den Großmächten Persien und Türkei erlitten hat; der russischen Eroberung Erivans[261]
durch General Paskevič hingegen wird nur knapp die Reverenz erwiesen. Die Verbindung zu Russland wird nicht auf der Ebene der Kultur, sondern der militärischen Eroberung hergestellt[262].