Wie ich ihm schon gesagt habe, hege ich keine feindseligen Gefühle gegen
Frankreich. Ich habe persönlich auf Elsaß-Lothringen verzichtet und diedeutsch-französische Grenze anerkannt. Ich will keinen Konflikt mit ihremLand. ... Infolgedessen ist mir der Gedanke, daß ich Polens wegen mitFrankreich kämpfen müßte, außerordentlich schmerzlich. Die polnischenHerausforderungen haben jedoch eine Lage für das Reich geschaffen, dienicht länger andauern kann.
Ich habe vor mehreren Monaten Polen, als ich die Rückkehr Danzigs und
einen schmalen Gebietsstreifen als Verbindung dieser Stadt mit Ostpreußenforderte, außerordentlich vernünftige Vorschläge gemacht. ... Diepolnische Regierung hat nicht nur meine Vorschläge zurückgewiesen,sondern sie hat auch die deutschen Minderheiten auf das Schlimmstemißhandelt. ... Frankreich würde so etwas genausowenig dulden wieDeutschland. Diese Dinge haben lange genug gedauert, und auf neue 294 Keitel, Seite 250295 französischer Ministerpräsident
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Herausforderungen werde ich mit Gewalt antworten. Ich lege Wert darauf,
es nochmals auszusprechen: Ich wünsche, einen Konflikt mit Ihrem Landezu vermeiden. Ich werde Frankreich nicht angreifen, aber wenn es in denKonflikt eingreift, so werde ich bis zum Ende gehen. ... Sagen Sie das, bitte, Herrn Daladier von mir.“ 296Botschafter Coulondre erwidert:
„Jetzt, da jedes Mißverständnis behoben ist, lege ich Wert darauf, Ihnen
mein Ehrenwort als Soldat zu geben, daß Frankreich Polen, falls es angegriffen würde, mit seinen Streitkräften zur Seite stehen wird. Ich kannIhnen aber gleichfalls mein Ehrenwort geben, daß die Regierung der Französischen Republik bis zum letzten Augenblick alles tun wird, was in ihrerMacht steht, um den Frieden zu bewahren. Sie wird es der polnischenRegierung an Mahnungen zur Vorsicht nicht fehlen lassen.“ 297Hitler entgegnet heftig:
„ Warum, ja warum haben Sie Polen dann einen Blankoscheck gegeben?'“
Nun rückt der Franzose mit dem eigentlichen Grund für den Krieg heraus, an dessen Schwelle die Welt in diesen Tagen steht:„Das ist das Ergebnis der Ereignisse des vergangenen 15. März. Die Besetzung Prags hat einen tiefen Eindruck auf die Gemüter in Frankreich
gemacht. Sie hat allenthalben ein Gefühl der Unsicherheit hervorgerufen,wodurch Frankreich veranlaßt wurde, seine Bündnisse fester zu knüpfen.“ 298Hitler mußte hier – und eigentlich schon lange – erkennen, daß ihm nun die Rechnung für die unrechtmäßige Besetzung der Rest-Tschechei vorgelegt wird.
Auf der Rechnung stehen unausgesprochen weitere Posten:
● Die Kündigung von Versailles,
● die Angliederung Deutsch-Österreichs,
● die Häresie der autoritären Staatsform,
● der Machtzuwachs des Reiches in den vergangen sechs Jahren,
● die Aufrüstung der Wehrmacht,
● Hitlers Forderung nach Rückgabe der ehemals deutschen Kolonien und
● der deutsche Wille, zur Vormacht in Ostmitteleuropa aufzusteigen.