Abermals vergingen mehrere Stunden, ohne daß sich etwas änderte. Es wurde Abend. Niemand kam zu ihnen …
Alle drei wachten zugleich auf. Sie konnten sich nicht darauf besinnen, wie sie eingeschlafen waren, aber ein Blick auf die Uhr zeigte, daß sie zehn Stunden geschlafen hatten. Es war bereits Morgen. Der Morgen des 24. Juli.
Auf dem Boden neben dem Wagen stand eine Schüssel mit Fladen. Romanow holte sie herein und stellte sie zu der ersten.
Belopolski wechselte Balandins Verband. Dann frühstückten sie und wappneten sich wieder mit Geduld.
Stunde um Stunde verging.
Endlich gegen zwei Uhr nachmittags vernahmen sie Geräusche. Die Baumstämme knarrten, schwere Fußtritte dröhnten.
Zehn Reptile und drei Venusianer umringten das Fahrzeug.
Die Entscheidung nahte.
Warum kamen sie in so großer Zahl? Was gedachten sie zu lun?
Ein Venusianer hüpfte zum Wagen und klopfte ans Fenster.
Die Insassen wußten schon, daß sie damit aufgefordert wurden, ihr Fahrzeug zu verlassen.
Belopolski stieg, äußerlich ruhig, als erster aus. Ihm folgte Romanow.
Aber der Venusianer klopfte aufs neue. Alle sollten aussteigen.
Balandin konnte sich nicht bewegen. Seine Brandwunden bereiteten ihm bei der geringsten Bewegung heftige Schmerzen.
Wie sollte man das den Venusianern erklären?
Belopolski wies auf die Beine des Professors und schüttelte den Kopf. Aber das merkwürdige Geschöpf verstand ihn nicht und klopfte weiter. Der zweite Venusianer hob die Hand. Die Reptile traten näher, die Lage wurde bedrohlich.
Balandin versuchte mit unwahrscheinlichem Energieaufwand auszusteigen, sank aber stöhnend in seinen Sitz zurück. Große Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
„Ich kann nicht!“ stöhnte er. „Lieber will ich sterben!“ Der Venusianer horte auf zu klopfen. Er wandte sich seinen beiden Artgenossen zu. Die sahen ihn an. Man hätte schwören mögen, daß sie miteinander sprachen, aber es war nichts zu hören, und ihre Lippen bewegten sich nicht. Wenn sie sich wirklich unterhielten, so geschah es stumm.
Ob sie Gedanken lesen können? überlegte Belopolski. — Oder sprechen sie mit Hilfe einer für uns nicht wahrnehmbaren Mimik?
Die Herren des Planeten berieten nicht lange. Der eine sprang zum Ausgang. Die übrigen blieben neben dem Wagen stehen, drangen aber nicht mehr darauf, daß Balandin ausstieg.
Sie warteten auf etwas.
Die Nähe der Riesenreptile, deren grimmige Mäuler irgendwo hoch über den Köpfen der Menschen schwebten, beunruhigte die beiden Astronauten. Sie wußten nicht, ob sie ins Fahrzeug zurückkehren dürften.
Romanow beschloß, es zu versuchen. Er drehte sich so langsam wie möglich um und klinkte die Tür auf. Weder die Reptile noch die beiden zurückgebliebenen Venusianer reagierten darauf. Da stieg er ein und setzte sich auf seinen Platz.
Keine drohende Bewegung.
Belopolski folgte dem Geologen und schloß hinter sich sogar die Tür. Niemand hinderte ihn daran.
Die Reptile ließen sich auf alle viere nieder. So sahen sie den Schildkröten der Erde, obwohl sie viel größer waren, wieder sehr ähnlich. Wie zehn rosarote Lauben auf je vier Pfählen standen sie regungslos im „Zimmer“.
Die beiden Venusianer hüpften mit kurzen Sprüngen rings um das Kettenfahrzeug herum. Sie schienen es forschend zu mustern. Der Wagen, der in dem engen Raum riesengroß wirkte, flößte ihnen nicht die geringste Angst ein. Dann traten sie zur Wand und stellten sich einander gegenüber auf. Abermals sah es aus, als sprächen sie miteinander‘. Aber die drei Männer, die ihr Gebaren beobachteten, stellten fest, daß sich ihre Lippen ebensowenig wie zuvor bewegten.
„Wenn sie Vernunft besitzen“, sagte Balandin, „und das ist offensichtlich, müssen sie auch eine Sprache entwickelt haben.
Wir wissen, daß sie Lineale, Schüsseln und steinerne Schalen herstellen können. Sie verstehen Häuser zu bauen. All das zeugt von schöpferischem Denken. Das aber kann nicht ohne Gedankenaustausch, das heißt ohne Sprache, gedeihen. Sie reden miteinander. Aber wie?“ Weder Belopolski noch Romanow äußerten sich dazu. Ihnen stand nicht der Sinn nach theoretischen Erörterungen.
Im Benehmen der Venusianer zeigte sich nichts Bedrohliches, aber die absolute Ungewißheit bedrückte die Menschen. Aus welchem Grund hatte sich der eine Venusianer entfernt? Wohin war er gegangen? Vielleicht wollten sie Balandin zum Aussteigen zwingen?
Mitleid und Barmherzigkeit sind nicht angeborene Eigenschaften aller vernunftbegabten Geschöpfe. Sie setzten sich erst mit der Zivilisation durch. Aber auf welcher Stufe der Zivilisation standen die Venusianer? Das war völlig ungewiß.
Wofür hielten die Venusianer die Menschen? Für vernünftige Wesen oder für unbekannte Tiere? Sagte ihnen ihr Äußeres und das ihres Fahrzeugs etwas? Legten sie sich Rechenschaft über das Ungewöhnliche ab, das ihnen vor Augen stand?