Das Chronometer am Armaturenbrett zeigte auf halb zehn Uhr morgens, als sie endlich Reptile kommen hörten. Ihre dumpfen Tritte waren nicht mit den leichten Sprüngen der Venusianer zu verwechseln.
„Nun werden wir wohl die Reise ins Gebirge antreten“, sagte Belopolski. „Sehr gut! Mehr will ich ja gar nicht!“ Balandin vernahm seine Worte nicht, er war beinahe bewußtlos. Romanow blickte den Kommandanten an und begriff nicht den Sinn seiner Worte. Blieb es sich nicht gleich, ob ihr Fahrzeug oder sie selbst zu den fernen Bergen verschleppt wurden?
Zehn „Schildkröten“ stapften herein. Ohne die geringste Anstrengung hoben sie den Wagen hoch und trugen ihn auf die „Straße“.
Belopolski erwartete, daß man sie wieder zu dem langen Tunnel, durch den See und schließlich am Fluß entlang tragen würde.
Er beabsichtigte, am Flußufer den Motor mit äußerster Kraft laufen zu lassen und dadurch den Trägern die Hände zu binden; das sollte Romanow ausnützen, fliehen und sich nötigenfalls mit der Waffe einen Weg bahnen. Er selber würde ihm dabei mit der Kraft des Motors, mit dem Scheinwerferlicht und der Waffe helfen.
Die Erfolgschancen waren zwar gering, aber Belopolski wußte keinen anderen Rat. Um sich selbst und Balandin machte er sich keine Sorgen. Der Professor konnte ohnehin nicht fliehen, und ihn allein als Opfer für die wütenden Reptile zurückzulassen kam für Belopolski nicht in Frage. Wenn sich der Jüngste von ihnen rettete, genügte das.
Aber die Reptile wandten sich nicht dem Tunnel zu. Sie gingen in entgegengesetzter Richtung über die den drei Männern schon bekannte „Straße“ und brachten sie in dasselbe Haus, in dem sie einen Tag vorher gewesen waren.
Abermals fanden sie sich in dem großen Saal wieder, und abermals standen etwa zwanzig Venusianer an der Tür.
Die „Schildkröten“ setzten den Geländewagen ab und entfernten sich.
Niemand trat heran und bat die Menschen auszusteigen. Die Venusianer schienen zu warten.
Nicht mit den Augen, sondern eher mit einer Art sechstem Sinn nahm Belopolski wahr, daß die Venusianer sich nicht so benahmen wie früher. Sie schienen den Wagen und die Menschen mit feindseligen Blicken zu messen. Er hätte nicht erklären können, woran er das erkannte, aber er war überzeugt, daß er sich nicht irrte. Es war etwas vorgefallen, und dieser Vorfall wirkte sich nachteilig für sie aus.
Die Venusianer blieben in einiger Entfernung stehen.
Belopolski beschloß, der Ungewißheit entgegenzugehen. Er brachte es nicht fertig, untätig abzuwarten.
„Bleiben Sie im Wagen!“ sagte er zu Romanow. „Ich werde versuchen zu erfahren, was sie von uns erwarten.“ Er stieg aus und ging geradewegs auf die Venusianer zu.
Als er näher kam, traten sie auseinander und machten den Eingang zum Nebenzimmer frei. Ohne zu zögern, ging er in das Zimmer mit dem Tisch. Drei Venusianer folgten ihm.
In diesem Raum schien sich nichts verändert zu haben. An den Wänden hingen immer noch die kristallen-durchsichtigen Gewächse, die von hinten rosa angestrahlt wurden. Auch der Tisch sah aus wie früher. Belopolski bemerkte aber sofort, daß die steinerne Schale fehlte. Auch sein Notizbuch, sein Bleistift und seine Taschenuhr lagen nicht auf dem Tisch. Statt dessen erblickte er dort drei Scherben.
Mit Hilfe von Schnüren, Würfeln und einem Schleifstein legten die Venusianer rasch wieder ihre Landkarte aus und setzten neben das „Raumschiff“ acht Würfel.
Belopolski stellte im stillen fest, daß sein Gegenüber die Zahl der Besatzungsmitglieder nicht vergessen hatte.
Dann ergriff einer der Venusianer drei Würfel und legte sie dorthin, wo die Schneise markiert war. Fünf blieben beim Raumschiff.
Was bedeutete das?
Hatten etwa drei Kosmonauten eine Erkundungsfahrt zum See unternommen und waren in die Hände der Venusianer geraten? — Quälende Unruhe packte Belopolski. Hatte Melnikow etwa seinen Befehl nicht befolgt?
Der Venusianer wies mit der einen Hand auf die drei Würfel und mit der anderen auf die Scherben, die auf dem Tisch lagen, ßelopolski musterte sie prüfend und bemerkte — es waren Scherben der steinernen Schale.
Was war geschehen? Was hatte sich auf der Schneise zugetragen, auf der die Venusianer offenbar drei Menschen begegnet waren? Warum war das Symbol des Friedens uad der Freundschaft zersprungen? Der Venusianer wollte zweifellos zu verstehen geben, daß ein Mensch daran schuld sei.
Belopolski wies den Gedanken von sich, daß die Genossen absichtlich so leichtfertig gewesen sein könnten. Hinter alleilem verbarg sich etwas. Jedenfalls hatte er sich nicht getäuscht.
Die Venusianer hatten tatsächlich ihre Einstellung zu den Menschen geändert, und zwar seitdem die Schale zerstört worden war.
Die Herren des Planeten kamen ihm zu Hilfe.
Der eine wandte den Kopf zur Tür. Er gab keinen Laut von sich. Trotzdem eilte, wie auf stummen Befehl, aus dem großen Saal ein Venusianer herbei und stellte eine neue Schale auf dem Tisch, die der alten in allem glich.