Die Form ließ keine Zweifel, daß es sich um ein irdisches Raumschiff handelte. Belopolski hatte sich nicht geirrt: es war länger und schmaler als die „SSSR-KS 3“.
„Ich kann mich nicht erinnern, in welchem Lande sie solche Schiffe bauen“, sagte Belopolski. „Einen Rumpf von solcher Länge habe ich noch nicht gesehen.“ „Worauf warten wir noch!“ meinte Wtorow. „Sie landen gleich. Wir müssen ihnen entgegengehen.“ Rasch zogen sie die Raumanzüge an.
Als sie die zentrale Kugel verließen, setzte das rätselhafte Schiff gerade mit ebensolchen „Pfoten“, wie sie die „SSSR-KS 3“ hatte, auf.
Sein mächtiger Rumpf überragte die niedrigen Ringe des „Phaetonen“ beträchtlich. An der Spitze leuchtete in goldenen Lettern der Name.
Er lautete „Prince of Wales“.
Darunter stand: „Großbritannien.“
Am Ziel
Sobald Melnikows und Belopolskis Entschluß, den „Phaetonen“ zur Ceres zu steuern, auf der Erde bekannt wurde, erfaßte alle Mitarbeiter der Raumfahrt Unruhe und Besorgnis.
Bald folgte die Meldung, daß der „Phaetone“ seine Geschwindigkeit auf einhundertzwanzig Kilometer in der Sekunde gesteigert habe.
Allen war klar, daß keine Veranlassung bestand, in die gänzlich unbekannte phaetonische Technik so große Erwartungen zu setzen und sie für unbegrenzt leistungsfähig zu halten. Alle sahen auch die drohende Gefahr, in der die drei Männer schwebten.
Es drängte sich die Frage auf, wie es hatte geschehen können, daß Melnikow und Belopolski einen derart entscheidenden Umstand nicht bedachten. Wie konnte die an und für sich verständliche Sorge um die Erhaltung des Phaetonen sie gegenüber elementarer Logik so blind machen?
Man erinnerte sich der Behauptungen verschiedener Wissenschaftler, die noch während der Vorbereitungsperiode kosmischer Flüge über den Einfluß des Kosmos auf die Psyche des Menschen geschrieben hatten.
Die Bedingungen des interplanetaren Fluges seien ungewöhnlich, die Verhältnisse außerhalb des Bereichs der Erde fremd, hatten sie behauptet. Generation um Generation habe der Mensch Zehn-, ja Hunderttausende von Jahren auf der Erde gelebt, und das Bewußtsein ihrer ständigen Gegenwart sei tief in ihm verwurzelt. Das in Jahrtausenden Gewachsene lasse sich schwer ausmerzen. Es sei nicht leicht, auf der Erde zu gehen. Aber sobald der Mensch den Schritt ins Weltall gewagt habe, müsse er auch dort „gehen“ lernen.
Auf der Erde sei der Boden fest, die Atmosphäre dicht und der Gesichtskreis durch den Horizont begrenzt. Seit eh und je.
Im Weltraum aber verschwinde die Schwerkraft, ringsum sei absolute Leere und Grenzenlosigkeit. Man brauche Zeit, um sich daran zu gewöhnen.
Die Gesetze des Lebens im All seien von den Menschen noch nicht erforscht. Aber sie unterschieden sich von denen auf der Erde.
Nur dadurch ließ sich offenbar das merkwürdige und unbegreifliche Verhalten Belopolskis erklären, der für seinen streng logischen, mathematischen Verstand bekannt war.
Auch Melnikow, der „eiserne Kosmonaut“, wie er oft unter Raumfahrern genannt wurde, war offensichtlich den Einflüssen des Kosmos erlegen.
Man darf sich nicht zu lange von der Erde entfernen! folgerte man.
„In den letzten Jahren hat der Mensch einen Sieg nach dem anderen über den Kosmos davongetragen“, sagte zu dieser Frage Professor Collins, ein bekannter Wissenschaftler. „Und er hat sich daran gewöhnt. Das ist gefährlich. Er vergißt leicht, daß das Weltall noch nicht bezwungen ist. Mit dem Kosmos muß man vorsichtig umgehen, sonst zeigt er uns noch mehr als einmal die Zähne.“ In Äußerungen dieser Art steckte eine Menge Wahrheit.
Die Warnung vor dem „Erfolgstaumel“ war keine leere Phrase. Er war tückisch und befiel den Menschen unmerklich.
Die Männer der „SSSR-KS 3“ hatten einen an Triumphen reichen Weg zurückgelegt. Sie besuchten die Arsena, wurden mit der ihnen feindlichen Natur der Venus fertig, und selbst das Raumschiff der Phaetonen, die Schöpfung einer anderen Welt, machten sie sich Untertan. Da war es schwer für sie, die eigene Macht nicht zu überschätzen. Daraus entstanden die Fehler.
Noch am selben Tage, an dem Kamow gemeldet wurde, daß Belopolski die Geschwindigkeit seines Raumschiffes gesteigert habe, fand eine Sondersitzung des wissenschaftlichen Rates des Kosmischen Institutes statt.
Kamow hielt ein kurzes Referat.
„Nach allem, was wir bis jetzt von den Phaetonen wissen“, sagte er, „müssen wir annehmen, daß sie seinerzeit zu ihrem Weltraumflug gestartet sind, ohne etwas vom nahen Untergang ihres Planeten zu ahnen. Ihre Ziele waren der Mars, die Erde und die Venus. Nehmen wir an, auch noch der Merkur. Bei der Berechnung der für die Triebwerke benötigten Treibstoffmenge mußten sie also von dieser Flugroute ausgehen. Fünf Starts und fünf Landungen. Über welche Energiequellen sie auch auf dem Phaeton verfügt haben mögen, ich kann mir nicht vorstellen, daß es ihnen gelungen sein soll, in dem verhältnismäßig kleinen Raumschiff eine noch größere Menge potentieller Energie unterzubringen, als für die genannte Flugroute benötigt wurde.