„Und das Absacken?“ „Verläuft normal. Keine ernsten Gefahren.“ „Ich habe schon lange keine Verbindung mehr mit dem U-Boot“, sagte Toporkow. „Wo steht es?“ „Fünfzig Kilometer von hier.“ Man hörte Igor Dmitrijewitsch tief atmen.
„Wir machen uns große Sorgen um euch.“ „Dazu haben Sie nicht den geringsten Grund.“ Abermals brach die Verbindung ab. Der Funkverkehr auf der Venus gestaltete sich äußerst launisch.
„Warum machen Sie den Genossen etwas vor?“ fragte Wtorow. „Wäre es nicht besser, die Wahrheit zu sagen?“ Melnikow blickte Wtorow schweigend an, als studiere er sein Gesicht.
„Ich weiß aus eigener Erfahrung“, sagte er langsam, „daß es bedeutend schwerer fällt, einen Kameraden in Not zu wissen, als selbst in Not zu sein. Die Genossen an Bord können außer dem, was sie bereits unternommen haben, nichts für uns tun.
Was soll ich ihnen sagen? Daß das Boot frühestens in einer Stunde hier sein kann, wissen sie selber. Daß wir endgültig ins Wasser absinken werden, wenn noch zwei Platzregen kommen, und es dann bedeutend schwieriger sein wird, uns zu finden?
Daß jedes neue Gewitter ebensolange anhalten kann wie jenes, dem wir unsere jetzige Lage verdanken?“ Er versank in ein längeres Schweigen. Dann erklärte er ruhig: „Die Wahrheit ist immer gut, aber um die Freunde nicht zu beunruhigen, muß sie manchmal geopfert werden. Sie sollen ruhig denken, bei uns sei die Lage unverändert.“ „Sie halten unsere Rettung noch für fraglich?“ Melnikow lächelte.
„Du kennst selber den ‚lieblichen‘ Charakter der Venus. Bevor wir nicht im Boot sitzen, bin ich von nichts überzeugt. Immerhin haben wir jetzt unvergleichlich mehr Chancen als vor der Instandsetzung des Funkgerätes. Aber auch da war noch kein Grund zum Verzweifeln.“ „Aber wenn wir nicht hätten funken können?“ „Dann wäre unsere Lage ernst geworden.“ Die letzte Stunde des Wartens zog sich besonders in die Länge.
Balandin teilte mit, daß der Radarprojektor fünfzehn Kilometer voraus festes Land anzeige. Das konnte nur jenes Land sein, vor dem das Flugzeug lag. Das Boot hielt geraden Kurs darauf.
Noch zwanzig Minuten vergingen, in denen über der Bucht kein Regen niederging; und das Boot kam schon ganz nahe. Das Funkorientierungssignal wurde abgestellt, es wurde nicht mehr gebraucht.
„Jetzt wird uns also die Chance gegeben, von der Sie gesprochen haben“, sagte Wtorow vergnügt.
Ohne zu antworten, beugte Melnikow stell hastig zum Mikrofon vor.
„Sinowi Serapionowitsch!“ „Ich höre.“.
„Tauchen Sie nicht auf! Legen Sie sich auf Grund! Ein mächtiges Gewitter zieht auf!“ Über die Wipfel des Waldes schob sich immer höher und schneller eine breite schwarze Wand. An den vielen Blitzen und an dem lauter werdenden Gepolter des Donners erkannte Wtorow, daß dies kein kurzes, sondern ein langes Unwetter war.
Die Enden des Wasservorhanges verbargen sich in nebliger Ferne.
„Halte die Ohren steif, Gennadi!“ sagte Melnikow. „Das wird die letzte und schwerste Prüfung.“ Vierzig Minuten wüteten ringsum die entfesselten Naturgewalten. Die zwei Männer im Flugzeug sahen über sich nur weißen Schaum. Gedämpft drangen die Donnerschläge zu ihnen.
Das konnte nur daran liegen, daß die Kabine unter die Wasseroberfläche abgesunken war.
Für Melnikow und Wtorow stand es daher fest, daß sie nach diesem Gewitter den Himmel nicht mehr erblicken würden.
Aber nachdem die Gewitterfront endlich abgezogen war, nahmen sie zu ihrer großen Verwunderung keine Veränderung ihrer Lage wahr. Das Wasser stand ebenso hoch wie vorher.
Vierzig Minuten hatten die Wassermassen auf die Kabine getrommelt, aber sie war keinen Zentimeter tiefer gesunken.
„Wie ist das zu erklären?“ fragte Wtorow verdutzt.
„Wahrscheinlich liegen wir jetzt auf festem Grund.“ Das war die einzige und anscheinend auch richtige Erklärung.
Nun drohte ihnen keine Gefahr mehr, und sie konnten in Ruhe noch ein paar Stunden warten, solange die Sauerstoffvorräte reichten. Aber das erübrigte sich, das Boot lag schon ganz in ihrer Nähe.
„Sie haben recht gehabt, Boris Nikolajewitsch“, sagte Wtorow. „Wenn wir die Wahrheit gesagt hätten, wären alle unnötig in Sorge gewesen.“ „Merke es dir!“ erwiderte Melnikow. „Oberster Grundsatz: Bevor du an dich denkst, denke immer an die anderen! — Das kannst du immer brauchen und ist bei Raumfahrten Gesetz.
Folge diesem Gesetz, und du wirst nie einen Fehler machen.“ „Ich werde Ihre Worte nicht vergessen“, sagte der junge Ingenieur tief bewegt.
Nach wenigen Minuten hatte das Warten ein Ende.
Nicht weit von ihnen wurde plötzlich das Wasser aufgewühlt, und der durchsichtige Rücken des Unterseebootes hob sich aus den Fluten. Man konnte nur staunen, wie geschickt Saizew das Boot durch den völlig unbekannten Ozean der Venus gesteuert und sich dabei nur nach den Funkorientierungssignalen gerichtet hatte.
Das Luk wurde geöffnet, und den Gasschutzhelm auf dem Kopf, beugte sich Professor Balandin heraus. „Genossen ihr seid ja schon untergegangen!“ sagte er über das Sprechfunkgerät.