„Wir holen euch sofort an Bord.“ „Sie können sich Zeit lassen“, antwortete Melnikow. „Die Kabine sinkt nicht tiefer.“ Saizew, der auch herauskam, begrüßte die Freunde lebhaft winkend.
„Wenn ihr noch tiefer gesunken wäret oder wenn Wellengang gewesen wäre, hätten wir euch gar nicht bemerkt.“ Weil alle das Nahen eines neuen Gewitters befürchteten, wurde schleunigst ein Schlauchboot ausgebracht, und Saizew ruderte zu dem Wrack.
Der Ingenieur trug eine wasserdichte Kombination ohne Kühlvorrichtung und hatte daher das Gefühl, er säße vor einem Hochofen. Die auf achtzig Grad erhitzte Luft, die durch den Filter der Gasmaske strömte, versengte ihm schier das Gesicht und erschwerte das Atmen.
Ohne sich zu besinnen, sprang Saizew ins Wasser, suchte tastend die Strebe de «Stabilisators und befestigte daran eine Trosse.
„Anziehen!“ rief er, während er wieder ins Boot kletterte und zur Seite fuhr.
Die anderthalbtausend Pferdekräfte, die in den beiden Motoren steckten, zogen das Flugzeug mühelos aus dem sandigen Grab. Es schnellte nach einigen Sekunden an die Oberfläche und wurde längsseit an das Unterseeboot gezogen.
„Herzlich willkommen!“ rief Balandin scherzend und umarmte die Geretteten.
„Sie haben Ihre Aufgabe glänzend gelöst“, sagte Melnikow, „ich danke Ihnen!“ Als erstes wurde die Meldung an das Raumschiff gefunkt, daß die Rettungsaktion geglückt sei. Alle freuten sich, daß die Funkverbindung zustande kam.
„Was sollen wir mit dem Flugzeug machen?“ fragte Melnikow.
„Kann es nicht an Land gebracht werden?“ „Unmöglich. Ringsum sind Felsen, die beinahe senkrecht ins Meer abfallen!“ „Also müssen Sie es liegenlassen.“ Die Männer nützten die Pause bis zum nächsten Gewitter und räumten das Wrack restlos aus. Der nächste Regen würde die leere Kabine mit dem offenen Dach versenken.
„Schade um die Maschine!“ sagte Melnikow. „Aber es ist nicht zu ändern.“ „Wollen wir nicht einmal an Land gehen?“ schlug Wtorow vor.
„Das ist an dieser Stelle gefährlich. Die Felsen sind zu steil.
Wir werden versuchen, eine Stelle zu finden, an der wir, falls ein Gewitter aufzieht, ins Boot flüchten können.“ „Wir müssen sofort zum Schiff zurückfahren“, erklärte Balandin auf einmal. „Sie sind verwundet.“ „Ach, nichts weiter als Schrammen“, entgegnete Melnikow.
„Wir denken schon gar nicht mehr dran.“ Der Professor wollte nicht nachgeben. Nur mit Mühe und Not gelang es Melnikow und Wtorow, ihn zu überreden, daß er Belopolski nichts von den tatsächlich unbedeutenden Verletzungen der beiden meldete. Balandin gab sich erst dann zufrieden, als er sie untersucht und die dilettantischen Verbände durch sachgemäße ersetzt hatte.
„Konstantin Jewgenjewitsch wird mir das übelnehmen“, sagte er nachdenklich.
„Das verantworte ich.“ Melnikow beruhigte ihn. „Warum sollen wir Zeit vergeuden. Wir liegen vor einem unbekannten Land und müssen es erforschen.“ Es wurde beschlossen, an der Küste entlangzufahren und festzustellen, ob dies eine Insel oder ein Festland sei. Belopolski riet ihnen, Kurs Nord zu halten. Seiner Meinung nach war die „SSSR-KS 2“ damals nördlicher geflogen und der von ihr gesichtete Fluß mußte ebendort gesucht werden.
„Wenn Sie einen Fluß entdecken“, sagte er, „haben Sie den Beweis, daß das Melnikow-Land ein Kontinent ist.“ „Melnikow-Land“ hatte er gesagt.
Aufgetaucht, lief das Boot aus der Bucht aus und ging auf Kurs Nord.
Das Ufer zog sich beiderseits bis zum Horizont. Soweit das Auge reichte, war es dicht bestanden mit einem Wald gigantischer orangeroter Bäume. Stellenweise reichte der Wald bis dicht an das Wasser heran, stellenweise trat er weiter zurück und bildete Lichtungen, auf denen gelbes und braunes Gras wuchs. Zu Füßen der Bäume breitete sich undurchdringliches Dickicht. Ob dies Sträucher oder junge Bäume der gleichen Art waren, ließ sich nicht bestimmen.
Aus Vorsicht wurde das Boot in zweihundert, dreihundert Meter Entfernung von der Küste gehalten. Dort herrschte schon ziemlich starker Wellengang, und das Schlingern störte beim Beobachten, aber damit mußte man sich abfinden. Saizew fürchtete, er könnte sonst auf eine Sandbank laufen.
Wenn Gewitter kamen, tauchte das Boot mit gestoppten Maschinen und wartete ab. Diese Viertelstunden benutzten die Männer, um die Flora und Fauna unter Wasser zu studieren.
Aber sie war äußerst kärglich. Das Scheinwerferlicht fiel nur auf rötliche Algen und grellrote Moose, die jeden Vorsprung überzogen, sowie auf zahlreiche Steine, die auf dem sandigen Grund lagen. Weder Fische noch Mollusken waren zu entdecken.
Gab es hier tatsächlich keine, oder hatten sie sich nur verzogen, als das Boot erschien und das Scheinwerferlicht aufflammte? Wer konnte diese Frage beantworten?
„Wir haben aber doch mit eigenen Augen im Ozean Lebewesen gesehen …?“ Balandin konnte es nicht fassen.
„Ganz so war es wohl doch nicht“, stellte Saizew berichtigend fest „Wir haben keine gesehen, sondern glaubten, welche zu sehen. Vielleicht waren es gar keine Tiere, sondern schwimmende Pflanzen.“ Der Professor war mit dieser Auslegung nicht einverstanden.