„Keinesfalls. Das ist ganz etwas anderes. Gehen wir an Bord zurück.“ Ohne auf Antwort zu warten, kehrte Melnikow um. Er hatte es sehr eilig.
Bestimmt wollte er ans andere Ufer fahren. Und tatsächlich, kaum waren die beiden wieder an Bord, da befahl Melnikow, noch ehe er durch das Luk geschlüpft war, Saizew solle auf die andere Seite des Flusses fahren.
Am südlichen Ufer wuchs ebenfalls Wald. Der mit gelbbraunem Gras bewachsene Uferstreif wirkte jedoch bedeutend breiter, und der Waldrand schien weiter vom Fluß entfernt zu sein. Alles war hier weiträumiger und völlig trocken. Der Hügel, den die beiden Männer vom anderen Ufer aus gesehen hatten, entpuppte sich von nahem als ein Haufen übereinandergestürzter Bäume.
Das waren aber nicht jene Giganten, aus denen der Wald bestand, sondern dünne gerade Stämme mit Ästen, an denen keine Blätter, sondern lange rote Dornen wuchsen.
„Damit hätte sich der Kreis meiner Beobachtungen denn geschlossen“, sagte Melnikow in einem Ton, der aufhorchen ließ.
Und erst in diesem Augenblick sah Balandin, was ihm zunächst nicht aufgefallen war.
Es war kaum zu glauben, verblüffend und einfach unerklärlich! Und doch war es kein Wunder, sondern reale Wirklichkeit.
Die Bäume lagen geordnet mit den Spitzen in einer Richtung.
Die Männer standen nicht vor einem Haufen Baumstämme, sondern vor einem Stapel. Auf der dem Fluß zugekehrten Seite stützten ihn in den Boden gerammte Pfähle aus unbehauenen, gewaltsam abgebrochenen Stämmen der gleichen Art.
Am Waldrand erblickte Balandin einen zweiten Stapel…
Orangefarbene Stämme. Sie waren bereits entästet.
Die Welt unter Wasser
Minuten vergingen, bis der Professor endlich wieder reden konnte.
„Was ist denn das?“ fragte er verdattert.
„Die Enträtselung der Herkunft des Lineals“, antwortete Melnikow. „Der endgültige Beweis, daß es auf der Venus vernunftbegabte Wesen gibt, die auf einer niederen Entwicklungsstufe zu stehen scheinen. Auf die Hypothese von dem unbekannten Raumschiff müssen wir nun verzichten.“ „Aber wo sind sie, diese vernünftigen Geschöpfe? Warum sehen wir sie nicht?“ „Weil wir überhaupt noch nichts gesehen haben. Sie müssen dort irgendwo sein.“ Melnikow wies auf den Wald. „Im Schutz dieser Baumriesen konnte sich Leben entwickeln, und wie wir sehen, hat es sich auch tatsächlich entwickelt. Hier werden wir die ‚Menschen‘ der Venus, höchstwahrscheinlich Wilde, finden.“ „Wie kommen Sie auf den Gedanken?“ entgegnete Balandin.
„Das Lineal…“ „Was beweist es denn?“ unterbrach ihn Melnikow. „Die Fähigkeit zu linearer Einteilung finden wir schon bei den wildesten Stämmen Afrikas. Das ist noch keine Zivilisation. Sehen Sie sich lieber diese Stämme an. Sie sind ganz primitiv gefällt, die Zweige abgebrochen, nicht abgehackt worden. So arbeiten Geschöpfe, die Säge und Beil nicht kennen, aber über große Körperkraft verfügen.“ „Aber solch ein Lineal kann man doch nicht ohne Werkzeug machen!“ Der Professor gab sich nicht geschlagen.
„Die Australier stellten mit Steinmessern ein solch treffsicheres Wurfgerät wie das Bumerang her. Ein flaches Brett zu schneiden ist bedeutend einfacher.“ „Die Australier und Afrikaner besaßen aber keine Lineale.“ „Richtig! Doch wir sind nicht auf der Erde, sondern auf einem anderen Planeten. Man kann nicht mechanisch die Geschichte des Erdmenschen auf die Venus übertragen.“ „Anscheinend haben Sie sich eine bestimmte Meinung gebildet“, sagte Balandin, „und zwar schon, bevor wir von Bord gingen. Was hat Sie dazu bewogen?“ „Na, ganz so war es nicht“, antwortete Melnikow. „Zunächst hatte ich bloß erst meine Vermutungen. Ich kann meinen Gedankengang in wenigen Worten schildern. Als wir feststellten, daß wir auf einem Fluß und nicht auf einer Bucht fuhren, mußte ich an die im Wasser schwimmenden Bäume denken, die wir bei unserer vorigen Expedition gesichtet hatten. Warum waren sie jetzt verschwunden? Weder auf dem Fluß noch auf dem Ozean, in den der Fluß ja mündet und in den er die Bäume hinaustreiben müßte, sind welche zu entdecken. Ich vermutete daher, daß stromaufwärts ein Hindernis sein müsse, das die Stämme aufhält.“ „Völlig logisch“, bestätigte Balandin.
„Aber an solch einem Hindernis“, fuhr Melnikow fort, „hätte sich in mehreren tausend Jahren eine riesige Menge Baumstämme ansammeln müssen. Unter der Last immer neuer, stromabwärts treibender Stämme hätten sie im Wasser versinken und schon seit geraumer Zeit den Fluß aufstauen und unterbrechen müssen. Aber das war nicht geschehen. Ich habe mir einzureden versucht, daß wir nur zufällig keinen Stämmen begegnet waren.
Aber warum gab es ausgerechnet in der Mündung des Flusses keine, wo die Kraft der Strömung doch am geringsten ist?“ „Ja, das ist schwer zu verstehen.“ „Danach dachte ich zum erstenmal an ein künstliches Flößen von Holz. Ich verwarf die Vermutung zwar sogleich wieder, doch immer häufiger befiel mich dieser ‚törichte‘ Gedanke.