Читаем Еврейские судьбы: Двенадцать портретов на фоне еврейской иммиграции во Фрайбург полностью

Filipp wuchs auf und erhielt seine Bildung in der Atmosphäre eines provinziellen deutschen Kurorts, die von der Mentalität her eher dörflich als städtisch geprägt war (natürlich sind damit nicht etwa Weiber mit Eimern vor den Wasserzapfsäulen oder WC-Anlagen auf dem Hof gemeint). Er war wahrscheinlich der erste Jude unter den Gymnasiasten in Bad Krozingen: Von Antisemitismus fehlte dort jede Spur. Seine Klassenkameraden, Kinder von Ärzten und Krankenschwestern, erzählten alle ihre Geschichten, und Filipps Geschichte, die er nicht verheimlichte, hob sich vor diesem Hintergrund deutlich ab.


Филип Пятов (2015) / Filip Piatov (2015)


Interessant und eher untypisches ist Folgendes: Filipp schämte sich nicht nur keineswegs dessen, dass er russischer Jude war (denn es gab in dieser Emigration auch solche jungen Damen, die vor Scham erröteten, wenn ihre Eltern sie in Gegenwart ihrer Mitschüler auf Russisch ansprachen und die Ärmsten dadurch zwangen, in diesem etwas grobschlächtigen Idiom auch noch zu antworten). Im Gegenteil, allen Erwartungen zum Trotz war er stolz darauf!.. Und das obwohl er Freiburger Synagoge nur einige Male besuchte und Russland, wie man es dreht und wendet, gar nicht gesehen hatte.

Es gab wohl irgendetwas in ihm selbst (und nicht im Fernsehen mit der Satellitenschüssel), was ihn dazu trieb, sich auch in die anderen Ecken des Dreiecks zu begeben. Nach dem Abitur folgte ein Jahr beim Freiwilligendienst in Tel Aviv, Arbeit mit jüdischen Senioren im Altersheim und ein ganzes Meer von Eindrücken und Beobachtungen über das jüdische Land und über sich selbst in diesem Land.

Vom Internetwelt zum Welt «Der Welt»

In den Schwarzwald kehrte er nicht mehr zurück. Er zog nach Frankfurt am Main, immatrikulierte sich an der Universität, an der Wirtschaftsfakultät. Hier stieß er nun auf den Antisemitismus, zwar nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern im Internet: In Blogs und Foren. Zunächst stürzte er sich in die verbalen Internet-Kämpfe, denn er konnte debattieren und liebte es, doch später verlor diese Beschäftigung jeglichen Reiz für ihn. Man diskutiert mit einer Person, die in der Regel wesentlich weniger als man selbst weiß und versteht, daher hört die Diskussion zusehends auf, spannend zu sein.

Und dann dachte Filipp: Wozu soll ich in dieser Form diskutieren? Wäre es nicht besser, über den Gegenstand der Diskussion einen Post oder einen Artikel zu verfassen, wobei man für den Sinn verantwortlich wäre anstatt bestrebt zu sein, den virtuellen Opponenten auf sein virtuelles Kreuz zu legen?

Das geschah bereits in der 12. Klasse des Gymnasiums, als Filipp 17 Jahre alt war. Eines Tages wurde Henryk M. Broder auf seine Posts aufmerksam, und seit 2011 begann er, Filipps Texte auf den Webseiten seines Portals «Achse des Guten» zu veröffentlichen.

Im Jahr 2013, als Putin Chodorkowski freiließ und dieser eine Presskonferenz in Berlin gab, schrieb Piatov darüber einen Artikel und schickte ihn spontan an die Zeitung «Die Welt», die ihn am gleichen Tag veröffentlichte!

Seit dieser Zeit schreibt Filipp Piatov für diese Zeitung, wobei er inzwischen dort freier Mitarbeiter geworden ist. Er hat sogar das schmeichelhafte Angebot erhalten, ins Angestelltenverhältnis zu wechseln und Redakteur zu werden, aber er lehnte ab. Er lehnte ab, weil er seit 2014, nach dem Ende seiner aktiven Studienzeit, ohnehin arbeitete, und zwar im jungen Berliner Unternehmen «Cookies», in dem er gleichzeitig als Aktionär und Mitarbeiter fungierte. Sein Unternehmen entwickelt Smartphone-Apps, die ihren Nutzern erlauben, sicher und praktisch Online-Banking zu betreiben. Interessant ist auch das Team an sich, in dem Filipp einer von 25 Mitarbeitern ist. Gegründet haben das Unternehmen zwei von ihnen: Ein Jude aus Russland und ein Araber aus Algerien, nicht schlecht, oder? Daher wundert es nicht weiter, dass der Sponsor dieses Startups ein Perser ist!

Im Übrigen ist Filipps Aufgabe nicht etwa im IT-Bereich angesiedelt, sondern durchaus geisteswissenschaftlich: Marketing und Public Relations, Gestaltung eines Images für das Unternehmen und Führung seiner Chronik, eine Art Verwandlung des zuweilen grauen Programmierer-Alltags vor dem Bildschirm in so etwas wie ein buntes und verdichtetes Happening, in eine bestimmte «Geschichte». Filipp stellte mir eine rhetorische Frage: «Warum soll man nicht eine gute Geschichte erzählen, ist es denn nicht das Spannendste, was es geben kann?» Und die Antwort auf diese Frage ist für ihn offensichtlich: Natürlich ist es das Spannendste (für mich klang indessen das Wort «gut» bedrohlich, denn eine «gute Geschichte» hat die Tendenz, zum Mythos zu degradieren).

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