»Geradezu überpünktlich«, sagte Constance, näherte sich von hinten Pendergast und ließ den Blick aus ihren veilchenblauen Augen über den Teewagen schweifen. »Es ist erst kurz nach drei. Aloysius, hast
»Das habe ich, in der Tat.«
»Haben wir die trojanische Armee zum Tee eingeladen?«
»Ich gebe mir selbst ein kleines Fest vor meiner Abreise.«
Constance runzelte die Stirn.
»Außerdem«, fuhr Pendergast fort, während er sich in den Ohrensessel niederließ und sich eine Madeleine nahm, »wirkst du dünner, seit du dich von dieser mönchischen Kost ernährst.«
»Ich esse sehr gut, vielen Dank.« Constance nahm im gegenüberstehenden Ohrensessel Platz, wobei ihre als Bob geschnittenen Haare hin- und herschwangen. »Weißt du, ich wünschte wirklich, du würdest mich nach Florida mitnehmen. Dieser Fall, der dir da plötzlich in den Schoß gefallen ist – er klingt faszinierend.«
»Und
Schmunzelnd schenkte Mrs Trask zwei Tassen Tee ein. »Man stelle sich das einmal vor, unser Mr Pendergast mit einem Partner, der ihm auf Schritt und Tritt folgt. Das klappt doch nie. Was die Zusammenarbeit mit anderen betrifft, ist unser Hausherr ein hoffnungsloser Fall – wenn Sie entschuldigen, dass ich das so sage.«
»Ich entschuldige, dass Sie das so sagen«, erwiderte Pendergast. »Wenn Sie bitte so gut wären, ein paar von diesen Madeleines zu meinem Fluggepäck zu legen. Wie ich höre, können gewisse Speisen an Bord gesundheitsgefährdend sein – wenn nicht Schlimmeres.«
»Ist er tatsächlich ein hoffnungsloser Fall?«, sagte Constance und drehte sich zu Mrs Trask. »Aber es besteht doch immer Hoffnung.«
Doch Mrs Trask hatte sich bereits zum Gehen gewandt, und so entging ihr der ganz flüchtige Blick, den Pendergast und die Frau, die ihm gegenübersaß, tauschten.
4
Um exakt zwanzig vor sieben am selben Abend schlenderte Special Agent Pendergast – nachdem er im Hotel Fontainebleau eingecheckt und sich vergewissert hatte, dass die Präsidentensuite La Mer zu seiner Zufriedenheit ausfiel – durch die hallende Lobby Richtung Atlantik. Mit seinen Wänden und Böden aus Marmor und der »Treppe ins Nichts«, den Grüppchen plaudernder Hotelgäste und den labyrinthischen Ein- und Ausgängen kam ihm der riesige Raum eher vor wie die Erste-Klasse-Lounge in einer Abflughalle. Als er sich einer Glastür näherte, öffnete sich diese flüsterleise, und er trat hinaus in die weitläufigen Grünanlagen. Nachdem er sich einen Weg zwischen mehreren glitzernden Swimmingpools gebahnt hatte, vorbei an Bars, Wellness-Oasen und üppigen Pflanzen, gelangte er schließlich zu der Liegefläche South Tropez. Die Sonnenanbeter, die durch ihre Oakley- oder Tom-Ford-Brillen zu ihm hochschauten, wunderten sich nicht über seinen schwarzen Anzug. Vermutlich hielten sie ihn für einen Hoteldiener auf dem Weg zu einer der privaten Cabanas neben den Pools. Andere Butler in Schwarz waren zu sehen, wie sie zwischen den Hütten umhergingen und den Gästen alles Gewünschte brachten – von Obst-Smoothies bis zu eintausendfünfhundert Dollar teuren Flaschen Dom Pérignon.
Nachdem er den Rasen überquert hatte, schlenderte Pendergast weiter auf einem Weg, der durch gepflegte Grünanlagen mäanderte, bis er schließlich zu einer kleinen Treppe gelangte, die zu einem aus Holzplanken bestehenden Fußweg führte, der von Königspalmen gesäumt war. Dies war der Miami Beach Boardwalk, eine Uferpromenade, die vom Indian Beach Park fast bis hinunter zum Hafen von Miami führte.
Pendergast wandte sich nach Süden, dann hielt er inne. Links verlief ein schmaler Grünstreifen mit Büschen und Ufergras, hinter dem der Strand lag. Rechts erstreckte sich eine durchgehende Reihe von Hotels, Hochhäusern mit Eigentumswohnungen sowie Vergnügungsbauten unterschiedlichen Typs; strahlend weiß reckten sie sich in den kobaltblauen Himmel. Es ging ein ganz leichter Wind, die Temperatur betrug um die 27 Grad, und die Luft war auf angenehme Weise feucht. Eine Siebzigjährige ging an ihm vorbei, sie trug eine riesengroße Sonnenbrille und einen pinkfarbenen Thong-Badeanzug, stöckelte unsicher auf ihren hochhackigen italienischen Sandaletten weiter.
Nachdenklich sah sich Pendergast noch einige Augenblicke länger um. Dann rückte er seinen Krawattenknoten zurecht, zog die Manschetten herunter und schloss sich dem Gedränge spärlich bekleideter Fußgänger auf der Promenade an. Nach einem in langsamem Tempo zurückgelegten halbstündigen Spaziergang nach Süden gelangte er bis zur 23. Straße, von dort an war die Promenade gepflastert. Noch ein paar Häuserblocks weiter, und die Menschenmenge staute sich. Der Grund war offensichtlich: Hundert Meter weiter vorn war die Promenade mit gelbem Tatortband abgesperrt.