Behutsam schob Mrs Trask den Teewagen über den dunklen Flur, der aus den Küchenräumen der Villa am Riverside Drive 891, New York City, hinausführte. Es war ungewöhnlich, zu dieser nachmittäglichen Stunde Tee zu servieren, es war noch nicht einmal fünfzehn Uhr – denn normalerweise zog es Pendergast vor, seinen Tee später am Tag zu nehmen. Doch er hatte sie darum gebeten, und die Bestellung war ungewöhnlich ausgefallen. Anstelle des üblichen asketischen Grüntees mit Ingwerkeksen gab es heute Hefeteigbrötchen mit Zitronenaufstrich, Scones, Clotted Cream, Madeleines, ja sogar kleine Battenbergkuchen. Und deshalb musste sie zum ersten Mal seit Ewigkeiten den Afternoon Tea auf einem Teewagen servieren statt auf einem schlichten Silbertablett. Dies alles bedeutete, da war sich Mrs Trask recht sicher, dass Pendergast seinem Mündel Constance eine Freude machen wollte – trotz des Umstands, dass sie aß wie ein Spatz und vermutlich kaum etwas von den Speisen anrühren würde.
Und in der Tat, seit seiner reichlich plötzlichen Rückkehr erst eine Woche zuvor schien es, als widmete Pendergast ihr besonders viel Aufmerksamkeit. Selbst Proctor, Pendergasts stoischer Chauffeur und Bodyguard, hatte das gegenüber Mrs Trask zur Sprache gebracht. Pendergast war gesprächiger als sonst gewesen und hatte sich bis spät in die Nacht mit Constance über ihre Lieblingsthemen unterhalten. Er hatte ihr bei der langfristig angelegten Aufgabe, den Nachforschungen über den komplizierten und oftmals geheimnisvollen Familienstammbaum der Familie Pendergast, geholfen. Dabei hatte er sogar Interesse an Constances neuestem Projekt gezeigt: die Anlage eines Terrariums zur Vermehrung gefährdeter fleischfressender Pflanzen.
Mrs Trask trat vom Flur in die Empfangshalle; leise quietschten die kleinen Räder des Teewagens auf dem Marmorboden. Sie hörte, wie sich Pendergast und Constance in der Bibliothek leise unterhielten. Allein schon dies erfreute ihr Herz. Allerdings wusste sie nicht, warum Constance im vorigen September so plötzlich nach Indien abgereist war, und auch nicht, was Anlass dazu gegeben hatte, dass Pendergast vor Kurzem dorthin gefahren war, um sein Mündel nach Hause zu holen. Diese Angelegenheit ging nur Pendergast und Constance etwas an. Mrs Trask freute sich einfach, dass alle Mitglieder des Haushalts beisammen waren. Und obwohl dies schon bald wieder vorbei sein würde – wegen Pendergasts plötzlicher Ankündigung, er müsse nach Florida aufbrechen –, tröstete sich Mrs Trask damit, dass es sich um eine rein geschäftliche Reise handelte.
Es stimmte, dass sie Pendergasts »Geschäften« recht ablehnend gegenüberstand, aber das war etwas, was sie für sich behielt.
Jetzt schob sie den Teewagen in die Bibliothek mit ihrer Holzvertäfelung aus dunklem Mahagoni, den Schränken voller seltener Fossilien, Mineralien und Exponate und den Wänden mit Leder-Folianten bis unter die Kassettendecke. Im Kamin prasselte ein großes Feuer, zwei Ohrensessel waren nahe daran herangezogen worden. In ihnen saß aber niemand, worauf Mrs Trask suchend den Blick umherschweifen ließ. Als sich ihre Augen an den Flackerschein gewöhnt hatten, sah sie die beiden. Sie standen in einer der hinteren Ecken, hatten die Köpfe zusammengesteckt und beugten sich über etwas, das sie ersichtlich interessierte. Natürlich – das musste das neue Terrarium sein. Mrs Trask hörte bereits, wie Constance davon sprach, wobei ihre Altstimme so eben über dem Knistern der Flammen hörbar war. »Ich finde es paradox, dass
»Paradox, in der Tat«, sagte Pendergast halblaut.
»Man beachte die sonderbare Morphologie der
Ganz kurz zögerte Pendergast. »Es wäre mir sehr viel lieber, ich könnte dir bei der Arbeit zuschauen. Du hast viel mehr Übung in derlei Dingen.«
Mrs Trask nutzte den Augenblick, räusperte sich und schob den Teewagen weiter vor sich her in den Raum. Beide, Constance und Pendergast, wandten sich zu ihr um.
»Ah, Mrs Trask!«, sagte Pendergast, drehte sich vom gläsernen Terrarium weg und schritt auf sie zu. »Pünktlich wie immer.«