»Ehrlich gesagt, dein Haar ist tatsächlich ein bißchen lang, Schatz«, sagte Mrs Weasley sanft.»Wenn du mich nur mal kurz -«
»Nein, Mum.«
Regen peitschte gegen das Wohnzimmerfenster. Hermine war ins Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 4, vertieft, das Mrs Weasley für sie, Harry und Ron in der Winkelgasse besorgt hatte. Charlie stopfte einen feuersicheren Kopfschützer. Harry hatte das Besenpflege-Set, das ihm Hermine zum dreizehnten Geburtstag geschenkt hatte, zu seinen Füßen liegen und polierte seinen Feuerblitz. Fred und George saßen hinten in der Ecke, unterhielten sich flüsternd und beugten sich mit gezückten Federkielen über ein Blatt Pergament.
»Was heckt ihr beiden da wieder aus?«, sagte Mrs Weasley streng und sah ihre Zwillinge scharf an.
»Hausaufgaben«, murmelte Fred.
»Mach keine Witze, ihr habt doch noch Ferien«, sagte Mrs Weasley.
»Ja, wir sind ein wenig spät dran«, sagte George.
»Ihr setzt nicht zufällig ein neues Bestellformular auf, oder?«, sagte Mrs Weasley mißtrauisch.»Ihr denkt nicht etwa daran, Weasleys Zauberhafte Zauberscherze wieder auf die Beine zu stellen?«
»Ich bitte dich, Mum«, sagte Fred und blickte mit einem gequälten Gesichtsausdruck zu ihr auf.»Wenn der Hogwarts-Express morgen entgleisen würde und George und ich sterben würden, wie würdest du dich bei dem Gedanken fühlen, daß das Letzte, was wir von dir gehört haben, unbegründete Anschuldigungen waren?«
Alle lachten, selbst Mrs Weasley.
»Da kommt euer Vater!«, sagte sie plötzlich mit einem Blick zur Uhr.
Mr Weasleys Zeiger war auf einmal von»Arbeit«auf»unterwegs«gesprungen; eine Sekunde später dann rastete er klappernd auf»Zu Hause«ein, wo die anderen Zeiger schon standen, und schon hörten sie Mr Weasley aus der Küche rufen.
»Ich komme, Arthur!«, antwortete Mrs Weasley und eilte davon.
Augenblicke später kam Mr Weasley mit dem Abendessen auf einem Tablett ins warme Wohnzimmer. Er sah vollkommen erschöpft aus.
»Tja, jetzt haben wir die Bescherung«, sagte er zu Mrs Weasley und ließ sich in einen Sessel am Feuer fallen. Nicht gerade begeistert stocherte er in seinem verschrumpelten Blumenkohl.»Rita Kimmkorn hat die ganze Woche bei uns im Ministerium rumgeschnüffelt und nach weiteren Skandalgeschichten gesucht. Jetzt ist sie auf die Sache mit der guten Bertha gestoßen, die vermißt wird, und morgen ist das sicher der Aufmacher im Tagespropheten. Ich hab Bagman doch gesagt, er hätte schon längst jemanden auf ihre Spur setzen sollen.«
»Mr Crouch sagt das schon seit Wochen«, warf Percy rasch ein.
»Crouch hat nun wirklich Dusel, daß Rita noch nicht von der Geschichte mit Winky erfahren hat«, sagte Mr Weasley verärgert.»Seine Hauselfe wird mit dem Zauberstab, der das Dunkle Mal heraufbeschworen hat, ertappt – das gäbe Schlagzeilen für eine Woche.«
»Ich dachte, wir wären uns einig, daß diese Elfe zwar verantwortungslos gehandelt, aber das Dunkle Mal tatsächlich nicht heraufbeschworen hat?«, bemerkte Percy steif.
»Wenn du mich fragst, dann kann Mr Crouch froh sein, daß keiner beim Tagespropheten weiß, wie übel er mit Hauselfen umspringt!«, sagte Hermine zornig.
»Hör mal zu, Hermine!«, sagte Percy.»Ein hochrangiger Ministerialbeamter wie Mr Crouch verdient unerschütterlichen Gehorsam von seiner Bediensteten -«
»Seiner Sklavin, meinst du wohl!«, sagte Hermine mit schriller Stimme.»Denn er bezahlt Winky doch nicht, oder?«
»Ich denke, ihr geht jetzt alle nach oben und schaut nach, ob ihr beim Packen nichts vergessen habt!«, unterbrach Mrs Weasley den Streit.»Nun los, und zwar alle…«
Harry räumte sein Besenpflege-Set zusammen, schulterte den Feuerblitz und ging mit Ron nach oben. Unter dem Dach war der Regen noch lauter zu hören, begleitet vom lauten Pfeifen und Stöhnen des Windes und nicht zu vergessen dem gelegentlichen Aufheulen des Ghuls, der unter dem Dachfirst hauste. Pigwidgeon begann zwitschernd in seinem Käfig herumzuflattern, als sie eintraten. Der Anblick der halb gepackten Koffer schien ihn vor Aufregung rasend zu machen.
»Wirf ihm ein paar Eulenkekse rein«, sagte Ron und warf Harry eine Tüte zu,»vielleicht stopft ihm das den Schnabel.«
Harry steckte ein paar Eulenkekse durch die Käfigstangen und wandte sich dann wieder seinem Koffer zu, neben dem der immer noch leere Käfig von Hedwig stand.
»Sie ist schon über eine Woche weg«, sagte Harry und betrachtete Hedwigs verlassene Vogelstange.»Ron, du glaubst doch nicht, daß sie Sirius erwischt haben, oder?«
»Nein, das hätte doch im Tagespropheten gestanden«, entgegnete Ron.»Das Ministerium hätte sicher zeigen wollen, daß ihnen zumindest ein Fang gelungen ist.«
»Jaah, schon möglich…«
»Sieh mal, hier sind die Sachen, die dir Mum aus der Winkelgasse mitgebracht hat. Und außerdem hat sie noch etwas Geld aus deinem Verlies geholt… und all deine Socken gewaschen.«