Er lüpfte einen Stapel Pakete auf Harrys Feldbett und legte den Geldbeutel und einen Haufen Socken daneben. Harry machte sich ans Auspacken. Außer dem Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 4, von Miranda Habicht waren da noch eine Hand voll neuer Federkiele, ein Dutzend Pergamentrollen und Nachfüllpackungen für seinen Zaubertrankkasten – Löwenfischgräten und Belladonna-Essenz waren in letzter Zeit knapp geworden. Gerade stopfte er Unterwäsche in seinen Kessel, als Ron hinter ihm ein lautes»Uääh«vernehmen ließ.
»Was soll das denn sein?«
Er hielt etwas in die Höhe, das aussah wie ein langes, kastanienbraunes Samtkleid. Es hatte einen verschlissenen Rüschenkragen und dazu passende Spitzensäume an den Ärmeln.
Es klopfte und Mrs Weasley trat mit einem Arm voll frisch gewaschener Hogwarts-Umhänge ein.
»Bitte sehr«, sagte sie und verteilte sie zwischen den beiden.»Und jetzt paßt auf, daß ihr sie richtig einpackt, damit sie nicht knittern.«
»Mum, du hast mir Ginnys neues Kleid gegeben«, sagte Ron und hielt seiner Mutter das Samtkleid hin.
»Wie kommst du darauf«, sagte Mrs Weasley.»Das ist für dich. Dein Festumhang.«
»Mein was?«, sagte Ron wie vom Donner gerührt.
»Dein Festumhang!«, wiederholte Mrs Weasley.»Auf der Schulliste heißt es, ihr braucht dieses Jahr einen Umhang… für festliche Anlässe.«
»Du machst Witze«, sagte Ron ungläubig.»Das Teil zieh ich nie und nimmer an.«
»Alle tragen so was, Ron!«, sagte Mrs Weasley verdrossen.»Die sehen nun mal so aus! Dein Vater hat welche für schicke Partys!«
»Bevor ich so was anziehe, geh ich lieber splitternackt«, sagte Ron verbissen.
»Stell dich nicht so an«, sagte Mrs Weasley,»du brauchst unbedingt einen Festumhang, das steht auf der Liste! Für Harry hab ich auch einen… zeig ihn mal, Harry…«
Mit leise bebender Hand öffnete Harry das letzte Paket auf seinem Feldbett. Es war jedoch nicht so übel, wie er befürchtet hatte; sein Festumhang hatte keine Rüschen; tatsächlich sah er ungefähr so aus wie seine Schulumhänge, nur war er nicht schwarz, sondern grün.
»Ich dachte, der bringt deine Augenfarbe gut zur Geltung, mein Lieber«, sagte Mrs Weasley vergnügt.
»Na also, der ist in Ordnung!«, sagte Ron und musterte zornig Harrys Umhang.»Warum hab ich nicht auch so einen gekriegt?«
»Weil… na ja, ich mußte deinen im Secondhandladen besorgen, und da hatten sie nicht so viel Auswahl«, sagte Mrs Weasley errötend.
Harry starrte auf seine Füße. Liebend gern hätte er all sein Geld im Gringotts-Verlies mit den Weasleys geteilt, doch er wußte, sie würden es niemals annehmen.
»Den zieh ich nicht an«, sagte Ron hartnäckig.»Nie und nimmer.«
»Schön«, fauchte Mrs Weasley.»Dann geh nackt. Und Harry, paß auf, daß du ein Foto von ihm machst. Damit ich mal was zu lachen hab, meine Güte aber auch.«
Sie ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Vom Fenster her kam ein merkwürdiges Spotzen und Keuchen. Pigwidgeon würgte an einem Eulenkeks, der zu groß für seinen Hals war.
»Warum hab ich eigentlich immer nur Schrott?«, sagte Ron zornig und ging hinüber, um Pigwidgeons Schnabel zu entrümpeln.
Im Hogwarts-Express
Düstere Stimmung lag in der Luft, als Harry am nächsten Morgen erwachte, denn die Sommerferien waren nun endgültig vorbei. Der Regen klatschte noch immer schwer gegen die Scheiben, während er in Jeans und Sweatshirt schlüpfte – die Umhänge wollten sie erst im Hogwarts-Express anziehen. Er machte sich mit Ron, Fred und George auf den Weg nach unten zum Frühstück und hatte gerade den Treppenabsatz im ersten Stock erreicht, als Mrs Weasley mit gequälter Miene am Fuß der Treppe erschien.
»Arthur!«, rief sie durchs Treppenhaus.»Arthur! Dringende Nachricht vom Ministerium!«
Mr Weasley erschien, den Umhang verkehrt herum an, trippelte an Harry vorbei, der sich an die Wand drücken mußte, und verschwand unten in der Küche. Als sie kurz danach hinzukamen, fanden sie Mrs Weasley aufgeregt in den Schubladen des Geschirrschranks wühlen -»Hier hatte ich doch irgendwo 'ne Feder liegen!«-, während sich Mr Weasley über das Feuer gebeugt mit jemandem unterhielt -
Harry schloß die Augen und öffnete sie wieder, denn er war sich nicht sicher, ob er richtig sah.
Inmitten der Flammen saß ein großes bärtiges Ei, und dieses Ei war Amos Diggory. Das Ei redete hastig auf Mr Weasley ein, ohne sich von den umherstiebenden Funken und den um seine Ohren züngelnden Flammen auch nur im Geringsten stören zu lassen.
»… Muggelnachbarn haben Lärm und Schreie gehört und deshalb diese, wie heißen sie noch mal – Blitzisten gerufen. Arthur, du mußt da unbedingt hin!«
»Hier, bitte!«, keuchte Mrs Weasley und drückte ihrem Mann ein Blatt Pergament, ein Fläschchen Tinte und eine zerzauste Feder in die Hand.
»- wir können wirklich von Glück reden, daß ich davon gehört hab«, sagte Mr Diggorys Kopf.»Ich mußte heute recht früh ins Büro, um ein paar Eulen wegzuschicken, und da hab ich all diese Leute von Mißbrauch der Magie losfliegen sehen – wenn Rita Kimmkorn Wind davon kriegt, Arthur -«