Als Nächstes hatten sie Verwandlung. Harry hatte beschlossen, Professor McGonagall nach dem Unterricht zu fragen, ob er mit nach Hogsmeade dürfe. Er reihte sich in die Warteschlange vor dem Klassenzimmer ein und überlegte, wie er es am besten sagen konnte. Doch ein kleiner Aufruhr vorn an der Tür lenkte ihn ab.
Lavender Brown schien zu weinen. Parvati hatte den Arm um sie gelegt und sprach mit Seamus Finnigan und Dean Thomas, die sehr ernst wirkten.
»Was ist los, Lavender?«, fragte Hermine beunruhigt, als sie mit Harry und Ron hinzukam.
»Sie hat heute Morgen einen Brief von zu Hause bekommen«, flüsterte Parvati.»Es geht um Binky, ihr Kaninchen. Ein Fuchs hat es getötet.«
»Oh«, sagte Hermine,»tut mir Leid, Lavender.«
»Ich hätte es wissen sollen!«, sagte Lavender mit tragischer Miene.»Weißt du, welcher Tag heute ist?«
»Ähm.«
»Der sechzehnte Oktober! >Das Ereignis, vor dem du dich fürchtest, es wird am sechzehnten Oktober geschehen!< Erinnerst du dich? Sie hatte Recht, sie hatte Recht!«
Die ganze Klasse versammelte sich jetzt um Lavender. Seamus schüttelte mit ernster Miene den Kopf, Hermine zögerte, dann sagte sie:
»Du… du hattest Angst, Binky würde von einem Fuchs getötet?«
»Nun ja, nicht unbedingt von einem Fuchs«, sagte Lavender und blickte mit tränenüberströmten Wangen zu Hermine hoch,»aber ich hab natürlich Angst gehabt, daß es stirbt, oder?«
»Oh«, sagte Hermine. Sie verstummte kurz. Dann -
»War Binky ein altes Kaninchen?«
»N…nein!«, schluchzte Lavender,»es… es war noch ganz klein!«
Parvati drückte Lavender noch fester an sich.
»Aber warum hattest du dann Angst, es würde sterben?«, fragte Hermine.
Parvati starrte sie wütend an.
»Nun ja, seht euch die Sache mal vernünftig an«, sagte Hermine und wandte sich den Umstehenden zu.»Erstens ist Binky gar nicht mal heute gestorben, Lavender hat heute nur die Nachricht bekommen -«
Lavender fing laut an zu jammern, doch Hermine fuhr fort:»- und sie kann auch gar keine Angst davor gehabt haben, denn es war doch offensichtlich ein Schock für sie -«
»Mach dir nichts aus dem, was Hermine sagt, Lavender«, sagte Ron laut,»sie schert sich nicht groß um die Haustiere anderer Leute.«
Es war ein Glück, daß Professor McGonagall in diesem Augenblick die Klassenzimmertür aufschloß; Hermine und Ron sahen sich an, als wollten sie gleich aufeinander losstürzen, und drinnen im Zimmer setzten sie sich zu beiden Seiten Harrys und sprachen die ganze Stunde kein Wort miteinander.
Harry wußte immer noch nicht recht, was er Professor McGonagall sagen würde, als es schon wieder läutete, doch sie war es, die das Thema Hogsmeade zuerst ansprach.
»Einen Moment noch bitte!«, rief sie, als alle aufstehen wollten.»Als Ihre Hauslehrerin bitte ich Sie, mir die Zustimmungserklärungen für den Besuch in Hogsmeade noch vor Halloween auszuhändigen. Ohne diese Erklärung dürfen Sie nicht mitkommen, also nicht vergessen!«
Neville hob die Hand.
»Bitte, Professor, ich – ich glaube, ich hab meine verloren -«
»Ihre Großmutter hat sie direkt an mich geschickt, Longbottom«, sagte Professor McGonagall.»Sie schien es für sicherer zu halten. Gut, das ist alles, Sie können gehen.«
»Frag sie jetzt«, zischte Ron Harry zu.
»Oh, aber -«, warf Hermine ein.
»Los jetzt, Harry«, drängte Ron.
Harry wartete, bis die andern draußen waren, dann ging er, hibbelig wie er war, hinüber zu Professor McGonagalls Pult.
»Ja, Potter?«
Harry holte tief Atem.
»Professor, meine Tante und mein Onkel – ähm – haben vergessen, das Formblatt zu unterschreiben«, sagte er.
Professor McGonagall sah ihn über ihre viereckigen Brillengläser hinweg an, sagte jedoch nichts.
»Also – ähm – meinen Sie, es wäre möglich – das heißt, ist es in Ordnung, wenn ich – wenn ich mitkomme nach Hogsmeade?«
Professor McGonagall senkte den Blick und begann die Papiere auf ihrem Pult zusammenzuräumen.
»Ich fürchte, nein, Potter«, sagte sie.»Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Keine Erlaubnis, kein Besuch im Dorf So lautet die Regel.«
»Aber – Professor, mein Onkel und meine Tante – Sie wissen, es sind Muggel, sie verstehen im Grunde nichts von – von diesen Formblättern und überhaupt von Hogwarts«, sagte Harry, während Ron ihn mit heftigem Kopfnicken anfeuerte.»Wenn Sie sagen würden, ich kann mitgehen -«
»Aber das sage ich nicht«, sagte Professor McGonagall, stand auf und verstaute ihre säuberlich gestapelten Papiere in einer Schublade.»Auf dem Formblatt heißt es klar und deutlich, daß Eltern oder Vormund die Erlaubnis geben müssen.«Sie sah ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. War es Mitleid?»Tut mir Leid, Potter, aber das ist mein letztes Wort. Sie beeilen sich besser, oder Sie kommen zu spät zur nächsten Stunde.«
Da war nichts zu machen. Ron erfand eine Menge unschmeichelhafter Namen für Professor McGonagall, was Hermine ausgesprochen ärgerte. Sie setzte einen»Um so besser«- Gesichtsausdruck auf, der Ron wiederum noch zorniger machte, und Harry mußte es ertragen, daß sich alle andern in der Klasse laut und voller Vorfreude darüber unterhielten, was sie in Hogsmeade als Erstes tun würden.