Die abreisende Familie nahm nur die allern"othigsten Bed"urfnisse mit, weil kaum Platz f"ur die Personen im Wagen war; alles andre blieb zur"uck. Deshalb bat mich Herr Schilling, in seinem Hause wohnen zu bleiben, und die Aufsicht, sowohl "uber seine Effecten, als zur"uckgelassenen Commissions-Waaren zu "ubernehmen.
Ich muss noch einen, und zwar den Hauptgrund anf"uhren, wesshalb ich in der Nacht vom Freitag auf den Sonnabend, meine Wohnung an der Schmiedebr"ucke verliess. Der Graf Rostoptschin hatte mehrere gedruckte Auffoderungen an das Volk ergehen lassen, sich zu
, und beym ersten Ruf, sich auf den Sperlingsbergen zu versammeln, und jedem ward die h"arteste Strafe angedrohet. Mein Kutscher, ein junger verwegener Kerl, mit einer Satansphysiognomie, brachte daher alle Tage eine Menge ihm gleichgesinnter Kerle, auf unsern ger"aumigen Hofe zusammen, mit denen er exercirte, l"armte, und sie harangirte. Er sagte ihnen oft, dass nun endlich das Blatt sich gewendet hat, die Leibeigenen, , und die bisherigen Herrschaften entweder todtgeschlagen oder Bauern werden m"ussen. Schweigend musste ich dieses Unwesen dulden, und mein nothgedrunges Schweigen, machte den Kutscher mit jedem Augenblick , so dass er endlich meine Tochter in die Backen kniff sie k"ussen wollte, "uber ihr Spr"odethun spottete und sich zu sagen erfrechte: Sie werde bald denken, und ihm danken, wenn er ihr seyn w"urde. Als ich in der Nacht vom Freitag erfuhr, dass der Kutscher und sein Anhang nicht zu Hause sind, benutzte ich die Zeit zur Flucht in das Schillingsche Haus. Kaum war aber meine Tochter mit dieser Familie abgereist, so fiel es mir ein, wie grimmig und erbittert der Kutscher seyn wird, wenn er weder meine Tochter, noch mich bey seiner R"uckkunft im Hause finden w"urde. Jetzt stieg in mir die Besorgniss auf, dass dieser verwegene Kerl, unsern Aufenthalt entdecken, und welche Gefahr – nicht sowohl f"ur mich – denn ich trug, wie man zu sagen pflegt, die ganze Zeither mein Leben in meiner Hand – sondern dem Schillingschen Hause, an Effecten und Waaren durch die Bosheit dieses Menschen gebracht werden k"onnte. Daher dachte ich auf einen Zufluchtsort, damit ich nicht im Schillingschen Hause w"urde, wenn der Kutscher mich dort suchen sollte, und denken muss: ich sey mit der ganzen Familie abgereiset. Dass unsere Armee eine Schlacht verloren habe, und Napoleon schon auf russischem Gebiet stehe, man in Moskau, und sah es an den vielen Verwundeten, welche durch die Stadt zogen, aber ich zweifle, ob jemand, ausser dem Generalgouverneur, und seinen vertrautesten Freunde, nur an die M"oglichkeit gedacht habe; dass Napoleon bis vordringen k"onne? Noch am 31sten August erschien ein kurzes B"uletin, worin im Namen des Feldmarschalls Kutusow, bekannt gemacht ward, dass er am gestrigen Tage die Franzosen total geschlagen habe, und wenn er – woran er nicht zweifle – sie den andern Tag wieder so besiegen w"urde, so soll kein Einziger von den eingedrungen Feinden "uber die russische Gr"anze kommen und heimkehren. – Den Datum der Schlacht, und den Ort, habe ich vergessen. Ich weiss nicht, was die von der wahren Lage der Dinge wussten, und dachten, da mein, wie alle Magazine an der Schmiedebr"ucke geschlossen waren, und niemand kam, von dem man etwas gewisses erfahren konnte. Aber die suchten gegenseitig bey einander Rath und Trost, so oft sie in dieser ganzen Zeit ohne Gefahr zusammen kommen konnten. Bey einer solchen Gelegenheit, sagte mir der Theatermaler Herr Czermack – der den Muth hatte, f"ur die ersten gefangenen Franzosen, welche sehr abgerissen waren, aus reinem Gef"uhl der Menschlichkeit, ohne an der Anh"anglichkeit zu haben, eine Collecte – nicht ohne Gefahr f"ur sich – zu sammeln, und in dieser Absicht auch zu mir gekommen war. Ich wohne bey einem russischen Geistlichen, in der Pereulock Lawrentie Nawrasche, nahe an der Twerskoy, u. dieser hat mir versprochen, mir, und einigen meiner Freunde, einen , sehr Aufenthaltsort, unter dem Altare seiner Kirche anzuweisen, wo kein Mensch uns finden, und wir f"ur alle m"ogliche Gefahr gesichert seyn sollen. – Herr Czermack, foderte mich daher auf sogleich zu ihm zu kommen, wenn ich in meiner Wohnung nicht mehr bleiben k"onnte, und gab mir die genaueste Beschreibung seines Hauses, um es sogleich finden zu k"onnen. H"atte ich an diesen Zufluchtsort gedacht, so w"urde ich ihn dem Schillingschen Hause vorgezogen haben, dann aber w"are meine Tochter mit dieser Familie nicht abgereiset, h"atte nachher in gr"ossere Gefahren gerathen k"onnen, alle Angst und Gr"aul w"ahrend dem Brande und nachheriger Pl"underung mit ansehen m"ussen; endlich aber, was die Hauptsache f"ur sie, und mich war, wir beyde keinen so "uberzeugenden Beweis, von der tr"ostenden Kraft eines gl"aubigen Gebets erhalten, wie der Herr uns zwey Stunden vor ihrer Abfahrt gnadenreich gew"ahret hatte.