Ich danke Gott, dass keine Wahl auf mich fiel; denn absagen durfte niemand. Der Director dieser polizeylichen Anstalt war ein Professor der Moskauer Universit"at, namens
. Ich weiss nicht, ob er ein geborener Franzose oder Sachse war, aber das ist mir bekannt, dass er mit einer Dresdnerin verheyrathet war, welche nachher, bey Gelegenheit einer Anwesenheit des Hochseligen Kaisers Alexander in Dressden, die Befreyung ihres Mannes, und seine R"uckkehr nach Deutschland, von dem Monarchen erflehet, und auch erwirket hatte. Ich habe Herrn Professor Willers nie gesehen und kann nicht wissen, ob er das Amt eines Polizeymeisters gern, oder nothgedrungen annahm; weil er doch einmal durch einen besondern Zufall, gleich im ersten Augenblick mit Napoleon bekannt ward, wie dieser in Moskau einzog. Napoleon war bis zur Moskauer Sastawa gelangt, wo er Halt machte, in der Meynung „Es werde ihm eine Deputation aus der Stadt entgegen kommen, die Schl"ussel der Stadt "uberreichen, und um Schonung bitten etc [“] – wie es in andern Residenzen, und St"adten zu seyn pflegte. Als aber von alle dem nichts geschah, und er vergeblich eine kleine Weile gewartet hatte; sandte er einen seiner Adjutanten in die Stadt, um sich nach der Ursache dieses sonderbaren Benehmens zu erkundigen, wobey er sich "ausserte; ob denn die Einwohner nicht w"ussten, dass von ihm, dem Sieger, das Schicksal der Stadt abhienge? Der Adjutant, ritt eine ziemliche Strecke in die Stadt hinein, fand die Strassen Menschenleer, und nur sehr wenige ganz gemeine u. arme Leute, die seine Fragen nicht beantworten konnten, weil er sie in Sprache that. Endlich erblickte der Adjutant, in der N"ahe des Universit"atsgeb"audes, den Professor , den er anrief, und befragte. Von welchem er auch verstanden ward, und seine Fragen beantwortet erhielt. Willers sagte ihm, dass sowohl die , wie alle nur einigermassen Leute Moskau hatten, und nur die Hefe des Volkes, und sehr wenige Ausl"ander in der Stadt zur"uckgeblieben sind. Der Adjutant nahm Willers mit sich, damit er dasselbe Napoleon selbst sagen sollte. Auf dieser Weise ward er mit Napoleon bekannt, und die Wahl zum Polizeymeister war also schon in diesem Umstande begr"undet, auch wenn Willers nachher nie in den Kreml gegangen w"are.Napoleon zog nach Anh"orung dieser Aussage, mit get"auschter Erwartung ohne Sang und Klang gegen halb drey Uhr, am Montag, den zweiten September, des Nachmittags in Moskau ein, und begab sich gleich nach dem Kreml, wo er bis zum 13ten October, eben so still und ger"auschlos lebte, wie er gekommen war. Erst sp"ater fing er an sich zu amusieren. Aber womit? Es wurden franz"osische Com"odien zu seiner Unterhaltung von Diletanten im Kreml aufgef"uhrt, welche von einigen nachgebliebenen Modeh"andlerinnen, Aufsehern bey Kindern – die s"amtlich nie Schauspieler waren – gespielet; und sollte man es glauben, Napoleon – der doch das sch"onste und gl"anzendste gesehen hatte, was die B"uhne leisten konnte, fand, oder schien doch an diesen j"ammerlichen Vorstellungen Geschmack zu finden, und soll mit der gr"ossten Aufmerksamkeit Stundenlang zugeh"oret haben, als ob er sich wirklich daran erg"otzte. Dieses haben mehrere Augenzeugen versichert. Eben so schlecht war sein
so lange bestellt, bis russische Bauern aus der Umgegend anfingen Indianische H"uhner, G"anse, Butter etc. nach der Stadt zu bringen – wiewohl nur in sehr Quantit"at. Schon an der Sastawa ward ihnen ihr Vorrath sehr theuer von Aufk"aufern f"ur die kaiserliche K"uche, abgenommen und mit enormen Preisen bezahlt. Dieses brachte den Obrist Flahau auf den Gedanken; einen Contorschick Demidows, der in unserem Hause war, mit einigen 100 Franques, auf die n"achsten Demidowschen G"uter zu schicken, um daf"ur Victualien zu kaufen. Der Contorschick war auch willig dazu, hatte das Geld schon erhalten, und der Obrist liess mich nur rufen um den Menschen genau zu bedeuten, was er vorz"uglich bringen sollte. Ich erschrack "uber die Gefahr, welche f"ur bey ertheilung dieser Instruction entstehen k"onnte, wenn es heissen w"urde: dass ich die Leute auf die Demidowschen G"uter geschicket habe, um den Feinden des Vaterlandes, Nahrungsmittel zu bringen. Ich zwang mich zu einem L"acheln, und sagte dem Obristen in deutscher Sprache: Das w"are sch"on! Wie w"urde dieser russische Schreiber lachen, wenn er mit ihre 200 Fr. in seinem Dorfe angelanget ist, und mit Recht "uber Sie , dass Sie ihm das Geld anvertrauet haben, da er ja in seinem Dorfe sicher ist, von Ihnen weder gesuchet, noch f"ur sein Ausbleiben bestrafet zu werden. Der Obrist lachte laut, sagte „Da h"atte ich bald einen recht albernen Streich begangen, welchen ich mir nie vergeben k"onnte, dass ich auf diese Weise mein Geld verloren h"atte.[“] Er dankte mir dass ich ihn gewarnet, nahm den Contorschik das Geld wieder ab, und die Sache unterblieb zu meiner grossen Zufriedenheit.