1 Ich dachte an die Empörung, die ich empfunden hatte, damals, als ich mit meinen Eltern im Winter in den Alpen gewesen war. Vater hatte Mutter vor schneebedeckten Gipfeln fotografiert, dunkles Haar hatte sie und trug einen hellen Mantel. Ich hatte neben ihm gestanden, als er das Bild aufnahm: weiß war alles gewesen, nur Mutters Haar dunkel — aber als Vater mir zu Hause das Negativ zeigte, sah es aus, als stünde eine weißhaarige Negerin vor sehr hohen Kohlenhalden. Ich war empört, und mich hatte die chemische Erklärung, die nicht einmal sehr kompliziert war, nicht befriedigt. Mir schien immer — und schien bis zu diesem Augenblick, dass es mit ein paar chemischen Formeln, mit Lösungen und Salzen nicht zu erklären war, berauscht dagegen hatte mich das Wort Dunkelkammer — und später, um mich zu beruhigen, fotografierte Vater meine Mutter in einem schwarzen Mantel draußen vor den Kohlenhalden unserer Stadt — da sah ich im Negativ eine weißhaarige Negerin in weißem Mantel vor unendlich hohen Schneebergen; dunkel war nur, was hell an Mutter gewesen war: ihr weißes Gesicht, ihr schwarzer Mantelaber und die Kohlenhalden, das sah alles so hell, so festlich aus, als stünde meine Mutter lächelnd mitten im Schnee.
2 Meine Empörung war nach dieser zweiten Aufnahme nicht geringer geworden, und seitdem hatten mich die Abzüge von Fotografien nie interessiert, mir schien immer, man sollte von Fotos gar keine Abzüge machen, das war das, was am wenigsten an ihnen stimmte: die Negative wollte ich sehen, und die Dunkelkammer faszinierte mich, wo Vater bei rötlichem Licht in geheimnisvollen Wannen die Negative so lange schwimmen ließ, bis Schnee Schnee wurde und Kohle Kohle — aber es war schlechter Schnee und schlechte Kohle ... und mir schien, als sei der Schnee im Negativ gute Kohle und die Kohle im Negativ guter Schnee gewesen. Vater hatte mich zu beruhigen versucht, indem er sagte, es gäbe nur einen einzigen richtigen Abzug von allem, der in einer Dunkelkammer ruhe, die wir nicht kennten: im Gedächtnis Gottes — und mir war diese Erklärung damals zu einfach vorgekommen, weil Gott ein so großes Wort war, mit dem die Erwachsenen alles zuzudecken versuchten. —
Илья Михайлович Франк , Илья Франк , Фридрих Дюрренматт , Яков Александрович Унфангер , Яков Унфангер
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