Mit eigenen Augen hatten sie soeben eine Erscheinung beobachtet, der irdischen Wissenschaft noch völlig unbekannt. Die Öffnung, durch die sie ungehindert hindurchgegangen waren, hatte sich in Metall verwandelt! Das Phänomen schien unwirklich, unbegreiflich, rätselhaft. Und doch beruhte es ohne Zweifel auf der Anwendung ihnen noch unbekannter Naturgesetze.
„Auf dieser Seite sind seltsamerweise keine spitzwinkligen Facetten“, sagte Melnikow schließlich.
„Erscheint es Ihnen nicht merkwürdig, daß wir sie sehen?“ fragte Wtorow plötzlich.
„Wen?“ „Die Wand. Hier müßte es doch eigentlich ganz dunkel sein.“ Tatsächlich, dachte Melnikow.
Die Lampen an ihren Helmen hatten sie beim Betreten des Raumschiffes ausgeschaltet. Das hellblaue Feuer der Schale war hinter der Tür zurückgeblieben. Dennoch sahen sie die Wand.
Mehr noch, sie sahen ihre eigenen Schatten sich darauf bewegen.
Also gab es hinter ihnen eine Lichtquelle!
Melnikow drehte sich um und schrie auf. Seine Stimme verriet Freude und Staunen.
Über Jahrtausende hinweg
Eben erst hatten sie durch die Tür hindurch gesehen, daß die Rohre in eine dunkle Ferne führte. Jetzt endete sie drei Schritt vor ihnen. Undeutlich waren statt ihrer die Bäume des Waldes zu erkennen. Die herrschende Helligkeit war die natürliche Helligkeit der Außenwelt. Sie schien ihnen jetzt nicht ganz so schwach wie vorhin im Wald und reichte aus, um jenen kurzen Abschnitt der Röhre zu erleuchten, der zu ihrer Verwunderung an die Stelle der ganzen Röhre getreten war. Dieses Licht erzeugte auch die Schatten.
„Der Ausgang!“ schrie Wtorow freudig.
„Nein“, sagte Melnikow. „Dies ist nicht der Ausgang. Sieh mal genauer hin.“ Wtorow tat es.
Die verschwommene Masse der Bäume war nur seitwärts und nach oben zu erkennbar, geradeaus jedoch nicht. Dunkle Leere führte hier in die Tiefe des Waldes. Die sichtbare Röhre endete drei Schritt von ihnen entfernt, dahinter erstreckte sich, unsichtbar geworden, ein Röhrenschema, dessen Existenz man nur ahnte.
Und dennoch war es dieselbe Röhre, auf deren Rücken sie hierhergekommen waren. Nur daß sie aus unbekannten Gründen völlig durchsichtig geworden war, wie der Sockel, auf dem die Schale stand.
Melnikow trat an den „Rand“ der sichtbaren Röhre. Es kostete ihn große Überwindung weiterzugehen. Unter sich sah er das Gras, und ihm schien, hier sei Schluß, und er müsse nun hinunterspringen.
Doch die Metallsohlen seiner Schuhe blieben auf glattem Fußboden, und mit der Hand fühlte er die halbrunde Wandung. Nach wie vor war die Röhre da, fest und undurchlässig.
Aber durchsichtig!
Sie wanderten anderthalb Meter über der „Erde“ und scheinbar durch die Luft, in die Tiefe der Röhre. Ihre Beine gehorchten ihnen nicht, und sie stolperten bei jedem Schritt. Zu gehen, ohne zu wissen, wohin man trat, war nicht so einfach.
„Wenn uns jemand so sehen könnte“, sagte Wtorow. „Ein komischer Anblick muß das sein! Zwei Menschen gehen durch die Luft.“ „Vorausgesetzt, daß die Röhre auch von außen durchsichtig ist.“ „Kann es denn anders sein?“ „Alles ist möglich.“ Melnikow ließ die Lampe am Helm aufflammen.
Der Lichtstrahl fiel auf die metallene Röhrenwand. Sie erblickten die typischen Glanzlichter, die auf blanker Metalloberflache entstehen. Gleichzeitig sahen sie jedoch auch das, was hinter der Röhre war.
Der Widerspruch machte einen verblüffenden Eindruck auf sie.
Gerade an dieser Stelle, ganz nahe der Röhre, wuchs ein Baum. Bevor das Licht aufflammte, war er schlecht zu erkennen gewesen — nur als dunkler Umriß. Aber er blieb auch jetzt dunkel, obgleich er nur einen Meter von ihnen entfernt stand und das Licht auf den Stamm hätte fallen müssen.
„Da haben wir den Beweis“, sagte Melnikow. „Das Metall der Röhre ist nur von einer Seite durchsichtig. Licht von außen kann ungehindert eindringen, aber von innen dringt es nicht hinaus. Draußen könnte uns niemand sehen.“ „Wenn wir erst wissen, was für Material das ist“, sagte Wtorow, „werden wir die Wände unserer Häuser damit bauen.
Stellen Sie sich vor, wie hell es in solchen Häusern sein muß, von außen aber kann man nicht hineinsehen.“ „Du fängst an zu phantasieren, Gennadi!“ „Wenn wir schon mal in ein Märchen aus ‚Tausendundeiner Nacht‘ geraten sind …“ „Hier irgendwo muß doch der innere Ring sein“, sagte Melnikow.
,Ja, er kann nicht weit sein. Die Hälfte der Röhre haben wir bestimmt schon hinter uns.“ Sie wußten, welche Form dieses merkwürdige Weltraumschiff hatte. Im Zentrum befand sich eine Kugel von sechs Meter Durchmesser. Sie war von drei ringförmigen Röhren umgeben, von denen die eine in fünfzig Meter, die beiden anderen, nah beieinander liegenden in hundert Meter Entfernung verliefen.
Das Zentrum und die Ringe waren durch eine radiale Rohre miteinander verbunden. Der erste, innere Ring mußte jeden Augenblick auftauchen.
Wenn nicht plötzlich auch er weg ist, dachte Wtorow.
Doch der Ring befand sich an seinem alten Ort. Noch wenige Schritt, und sie erblickten ihn durch die Wand der Röhre.