„Die Tür im Zentrum ist verschlossen.“ „Wahrscheinlich öffnet sie sich, sobald wir auf sie zugehen.“ „Schon möglich. Aber da wir uns nun einmal so weit vorgewagt haben, werden wir unseren Weg fortsetzen. Nur dürfen wir keine überflüssigen Gesten machen und auch nichts anrühren.“ Kann es nicht vielleicht so sein, daß in diesem Raumschiff alles durch eine Automatik in Gang gesetzt wird, die auf Gesten reagiert? dachte Melnikow. Die Türen, die Durchsichtigkeit der Wände, die Triebwerke. Und vielleicht auch noch anderes, von dem wir keine Ahnung haben. Wir wissen nicht, was für Gesten diese Wesen ausführen konnten, über deren Aussehen uns nichts bekannt ist. Ich habe die Hand gegen die Wand ausgestreckt — und die Tür hat sich geöffnet. Das passierte hier. Aber vielleicht setzt eine Bewegung meiner Hand an anderer Stelle die Triebwerke in Gang, und das Raumschiff startet plötzlich. All die Bäume, wie fest sie auch zusammengewachsen sein mögen, können es dann nicht zurückhalten, es wird sie zerreißen wie Papier.
Wir riskieren einen Start von der Venus und wissen nicht einmal, wie man das Raumschiff lenkt.
Doch noch während er überlegte, betrat Melnikow, äußerlich ruhig, den Steg.
Obwohl der Steg aus Glas zu sein schien, bog er sich merklich durch, als nach Melnikow auch noch Wtorow ihn betrat. Es gab kein Geländer. Der knapp dreißig Zentimeter breite durchsichtige Streifen hing etwa in der Mitte der Röhre in der Luft.
Es war nicht zu erkennen, was ihn hielt — anscheinend gar nichts.
„Geh zurück“, sagte Melnikow abgehackt; er erwartete jeden Augenblick, daß der Steg durchbrach.
„Es geht nicht mehr“, antwortete Wtorow.
Tatsächlich, die Tür hatte sich bereits hinter ihnen geschlossen. Die runde Wand erschien wie aus einem Guß, von der fünfeckigen Öffnung war keine Spur mehr zu sehen.
„Streck die Hand gegen die Wand aus!“ Wtorow gehorchte. Doch die Geste, die auf der anderen Seite die Tür hatte erscheinen lassen, zeitigte diesmal keinen Erfolg.
„Bleib stehen!“ Vorsichtig tat Melnikow einen Schritt vorwärts.
Und plötzlich wurde das Innere der Röhre von einem gedämpften, merkwürdig blauen Licht erhellt. Eine Lichtquelle war nirgends zu sehen. Es schien, als habe die Luft selbst plötzlieh die Fähigkeit erlangt, zu leuchten.
Melnikow war wie vom Donner gerührt. Wtorow wagte kaum zu atmen. Regungslos wie Statuen standen beide da.
Wie ein leichter Nebelschleier hüllte sie das hellblaue Licht von allen Seiten körperlich spürbar ein. Nicht ein einziger Schatten war zu sehen. Das Licht kam aus keiner bestimmten Richtung, es war überall. Die geheimnisvollen Zylinder hatten ihre Farbe jetzt eigenartig verändert: Die roten waren violett geworden, die gelben grün, und jene, die vorher blaßgrün gewesen waren, sahen türkisfarben aus. Der Steg war vollends unsichtbar geworden, als habe er sich in Luft aufgelöst.
Plötzlich spürten sie, kaum wahrnehmbar, einen unbekannten Geruch. Die Luft des Raumschiffs drang durch die Filter der Schutzmasken und, vermischt mit dem Sauerstoff der Erde, in ihre Lungen.
Der Gedanke, sie könnten sich mit dieser fremden Luft vergiften, jagte den beiden Raumfahrern einen Schauer über den Rücken. Dies hier war keine Venusluft — der Geruch war ganz neu —, es war die Luft eines anderen Planeten. Es war sehr wohl möglich, daß sie für Erdenbewohner tödlich war.
Weg von hier! dachte Wtorow.
Aber wohin? Der Rückweg war durch die massive Wand abgeschnitten. Wie man sie öffnen und das fünfeckige Loch wieder erscheinen lassen konnte, wußten sie nicht.
Ringsum lagen die rätselhaften, verschiedenfarbigen Zylinder. Dazwischen schwebte, fast unsichtbar, der schmale Steg.
Etwa vierzig Meter vor ihnen verschwand er mit der allmählichen Linkskrümmung der Röhre dem Blick.
Mechanisch schaltete Melnikow den Scheinwerfer am Helm aus. Vergiftungssymptome hatten sich noch nicht eingestellt.
„Egal, was kommt“, sagte er. „Vorwärts, Gennadi!“ Mit den Schultern balancierend, um das Gleichgewicht auf dem Steg nicht zu verlieren, ging Melnikow weiter. Die Arme wagte er nicht zu bewegen. Wtorow ließ den Genossen zehn Schritte vorausgehen, bevor auch er sich von der Wand löste.
Der Steg federte unter ihrem Gewicht. Das durchsichtige Material war aber offensichtlich, obwohl nicht für Erdenbewohner gedacht, recht solide.
Gleich hinter der Biegung gewahrten sie, daß die Röhre erneut durch eine runde Scheidewand unterteilt war; sie war etwa sechzig Meter von der anderen entfernt.
„Wie es scheint, besteht die Röhre aus fünf Abteilungen“, sagte Melnikow. „So muß es in Raumschiffen auch sein.“ „Wie es scheint, sind wir jetzt von zwei Seiten eingeschlossen“, entgegnete Wtorow.
„Wir werden ja sehen!“ Doch noch bevor sie die Wand erreicht hatten, erwiesen sich ihre Befürchtungen als unbegründet. Das unsichtbare Auge folgte ihnen aufmerksam. Die abwesenden Herren des Raumschiffes empfingen ihre ungeladenen Besucher — Bewohner eines anderen Planeten — gastfreundlich.