„Sie holen uns nicht ein“, sagte er. „Schon deshalb nicht, weil sie uns nicht ausmachen können. Von der,KS 3‘ aus gesehen, befinden wir uns genau vor der Sonne, hoffnungslos in ihren Strahlen verloren. Sie können uns nicht sehen.“ „Aber Sie haben doch selber gesagt…“ „Das tat ich deinetwegen. Jetzt, da du dich wieder beruhigt hast, kann ich‘s dir offen sagen: Auf die,KS 3‘ brauchen wir nicht zu hoffen. Ich zweifle nicht, daß die Genossen aufgebrochen sind, um uns einzuholen, aber sobald sie sich von der Undurchführbarkeit ihrer Absicht überzeugt haben, werden sie bestimmt zur Venus zurückkehren. Dort werden wir sie wiedersehen.“ „Sie glauben, daß sie umkehren?“ „Keinen Augenblick zweifle ich daran. Die Arbeit muß zu Ende geführt werden.“ Wtorow gab keine Antwort. Wirklich, dachte er, warum sollte die Expedition die Arbeit abbrechen? Es sind noch zwei Männer umgekommen, aber das ist kein Grund. Es wird Zeit, daß ich mich an die Geduld und Selbstbeherrschung der Kosmonauten gewöhne. Laut aber sagte er: „Wir fliegen auf die Sonne zu. Wäre es da nicht besser, bevor wir uns ausruhen, zu versuchen, das Raumschiff auf einen anderen Kurs zu bringen?“ „Die Sonne ist noch sehr weit. Selbst wenn wir auf sie zustürzen, haben wir noch mehrere Wochen zur Verfügung. Bevor du dich nicht richtig ausgeruht hast, lasse ich dich nicht ans Pult.“ „Also ruhen wir uns aus“, stimmte Wtorow gehorsam zu.
In einer schwerelosen Welt sind keine Betten notwendig. Der Mensch kann in jeder beliebigen Lage in der Luft schlafen. Die Macht der Gewohnheit jedoch veranlaßte Melnikow und Wtorow, jenen Raum aufzusuchen, in dem sie die Hängematten de£ Phaetonen gesehen hatten. Diese Hängematten bestanden aus einer Art Seidenfaser. Sie waren für Menschen zu kurz, aber das spielte keine Rolle. Die beiden Männer wollten ja nicht darin liegen, sondern sich nur an ihnen festhalten. So waren sie es von ihrem Raumschiff her gewohnt.
Jeder hüllte sich in eine Hängematte ein.
„Es stört mich, daß die Wände durchsichtig sind“, sagte Wtorow.
„Das hängt ja von dir ab“, sagte Melnikow schmunzelnd.
„Und wie steht‘s mit Ihnen?“ „O weh! Ich habe mich nie durch reiche Phantasie ausgezeichnet. Ich kann nur denken, hier aber ist etwas anderes nötig. Versuch du‘s, Gennadi.“ Wtorow schloß die Augen. Zunächst trachtete er, sich die Sternenwelt rings um das Raumschiff so real wie möglich vorzustellen. Dann malte er sich aus, die Wände hörten auf, durchsichtig zu sein, die Sterne verschwänden, und ringsum gäbe es nur noch Metallwände.
„Bravo!“ hörte er Melnikow ausrufen.
Wtorow öffnete die Augen. Im ersten Augenblick wollte er es gar nicht glauben — sein Wunsch war in Erfüllung gegangen. Er ertappte sich bei einem selbstzufriedenen Lächeln. Glich sie nicht einem Wunder, diese Zaubertechnik, die auf einen Befehl der Vorstellungskraft reagierte?
„Lösch das Licht“, sagte Melnikow in einem Ton, als brauche man nur die Hand auszustrecken und einen Schalter herumzudrehen.
Eine Stunde vor dem Tode
Durch den menschlichen Organismus fließen ununterbrochen nach Spannung, Frequenz und Stärke unterschiedliche elektrische Ströme. Bei jeder Tätigkeit des lebenden Gewebes kommt es zu einer Veränderung des elektrischen Potentials. Jeden Befehl des Gehirns, der durch das Zentralnervensystem an die Muskeln weitergegeben wird, kann man durch einen Spezialapparat in Form eines Elektrogramms aufzeichnen.
In der Wissenschaft werden diese Ströme des Organismus als „Bioströme“ bezeichnet.
Unsere Technik hat längst gelernt, die in den Muskeln entstehenden Bioströme für das Funktionieren künstlicher Gliedmaßen — Arme oder Beine — auszunutzen. Heute steht die Herstellung von Maschinen, die unmittelbar durch Hirnströme gelenkt werden, auf der Tagesordnung von Wissenschaft und Technik. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch daraus, daß die zahllosen Impulse, die gleichzeitig von den Milliarden Nervenzellen des Gehirns ausgehen, voneinander getrennt werden müssen.
Im Jahre 19…, als die „SSSR-KS 3“ zur Venus flog, gingen in der UdSSR, in den USA und anderen Ländern die ersten Muster hirngesteuerter Maschinen in Produktion. Sie waren noch sehr einfach, aber die Entwicklung komplizierterer und vollkommenerer zeichnete sich bereits ab. Selbstbewußt stattete der Mensch die Technik mit der Kraft seines Denkens aus.
Der Ausdruck „mit Gedankenschnelle“ ist allgemein bekannt.
Und in der Tat entsteht der Gedanke praktisch in einem Augenblick. Die durch den Gedanken ausgelöste Handlung aber erfolgt unvermeidlich mit Verzögerung. Um einen Befehl des Gehirns in Bewegung umzusetzen, benötigen die Muskeln Zeit.