Voraus im hellen Scheinwerferlicht rührte sich nichts. Alle Lebewesen verließen schleunigst den Lichtkorridor. Aber achteraus und mittschiffs schwammen die Fische dicht an das Boot heran, weil sie offenbar von dem unbekannten bewegten Gegenstand angezogen wurden, den sie wohl für ein neues Tier hielten. Wenn plötzlich das Scheinwerferlicht aufflammte, erstarrten sie für einen Augenblick und verschwanden dann hastig ins Dunkel. In diesen Augenblicken konnten die Männer sie betrachten.
Die meisten Meeresbewohner glichen in ihrer Gestalt den Fischen der Erde.
„Darüber braucht man sich nicht zu wundern“, sagte Balandin. „In dem gleichartigen Milieu haben sich gleichartige oder fast gleichartige Organismen entwickeln müssen. Die Natur beschreitet stets den einfachsten Weg.“ „Warum fürchten sich diese Tiere so vor dem Licht?“ fragte Wtorow.
„Auch das ist zu verstehen. Es kann gar nicht anders sein“, antwortete der Professor. „Auf der Erde dringt das Sonnenlicht in das Wasser der Meere bis zu vierhundert Meter Tiefe ein.
Hier herrscht sogar unmittelbar an der Oberfläche fast völliges Dunkel. Die Sehorgane der Venusfische müssen bedeutend empfindlicher sein als die der Fische auf der Erde. Das Licht tut ihnen weh und erschreckt sie.“ Die Forscher entdeckten zahlreiche kleine schnelle Fische mit bläulichen Schuppen, nahe Verwandte der irdischen Weberfischchen. Matt phosphoreszierend jagten zwischen ihnen lange schmale Körper dahin, die Balandin auf der Erde als Myxine[1]
klassifiziert hätte. Die Astronauten entdeckten mehrere Lebewesen, die den Rochen der Erde verblüffend glichen: Seeadler, deren Schwimmflossen Flügelgestalt besaßen und deren Schwanz dünn und lang war, sowie gleichsam zusammengeknüllte störähnliche Rochen. Einmal erblickten sie beim Aufflammen des Scheinwerferlichts unmittelbar vor sich ein stumpfes Maul, das Ebenbild eines gewöhnlichen Rundmaules — allerdings mit drei anstatt mit zwei Augen. Ein andermal starrte sie der häßliche, mit scharfen Zähnen bewehrte Kopf eines „Chauliods“ an, auch er mit drei Augen besetzt.„Großartig, wie überlegt die Natur arbeitet!“ rief Balandin begeistert. „Auf der Erde und auf der Venus schafft sie einander ähnliche Wesen, die dem Leben im Wasser angepaßt sind.
Aber auf der Erde haben die Fische zwei Augen und hier, wo es bedeutend dunkler ist, gibt sie ihren Geschöpfen drei. Das ist einfach großartig!“ Neben Wasserbewohnern, deren Gestalt an entsprechende Arten der Erde erinnerte, entdeckten die Kosmonauten auch solche, die nichts mit irdischen Arten gemein hatten. Durchsichtig und kaum wahrnehmbar, schwammen seltsame Kugeln umher. Andere Fische wieder waren so flach, daß man sie nur von der Seite erkennen konnte. Ihr Körper schien nur aus einer Außenhaut zu bestehen. Oft stießen die Männer auf noch seltsamere Geschöpfe; sie erinnerten in ihrer Form an Gymnastikhanteln, und ihre Kugeln leuchteten verschiedenfarbig, blau und grün, grün und weiß, weiß und grellrot. Aus den Tiefen des Ozeans stiegen endlos lange, wunderliche Schlangen mit quadratischen Köpfen senkrecht auf. Wenn der Lichtstrahl sie erfaßte, ringelten sie sich augenblicklich zusammen und sanken wie ein Stein in die Tiefe.
Weit voraus, wohin das Scheinwerferlicht nicht mehr reichte, waren kurz aufflackernde, verschiedenfarbige Lichter zu sehen, aber es gelang nicht, ihnen näher zu kommen. Sogar wenn die Scheinwerfer abgeschaltet wurden, blieben sie dem Boot fern.
„Ich mußte einmal im Taucheranzug aussteigen“, erklärte Balandin.
„Das wird Ihnen niemand erlauben“, antwortete Melnikow.
„Wir haben diese leichten Anzüge nur mitgebracht, weil wir den Venusozean für unbewohnt hielten. Aber hier ist es zu gefährlich.“ Tatsächlich zeigten sich des öfteren ungeheuer große Fische, die offenbar zur Gattung der Raubfische gehörten. Ihre elastischen starken Leiber mit den riesigen Schwimmflossen schossen mit einer solchen Geschwindigkeit vorüber, daß keiner sie richtig ansehen konnte. Als einer dieser Fische das Boot streifte, schlingerte es dadurch eine ganze Weile sehr heftig. Über diesen Zusammenstoß verblüfft, verharrte der Fisch sekundenlang regungslos, so daß die Forscher seinen mit Reißzähnen gespickten Rachen und den fünf Meter langen Rumpf genau betrachten konnten, der wie beim Katzenhai gefleckt war.
„Wenn ein Taucher einem solchen Fisch begegnet, ist er erledigt“, sagte Saizew.
Der Meeresgrund hob sich dann und wann, und an diesen Stellen konnten die Männer auch die Bewohner des Meeresgrundes studieren. Im Gegensatz zu den Fischen flüchteten diese Lebewesen nicht, und man konnte sie, wenn das Boot stoppte, beobachten, solange man wollte.
Hier wuchsen unübersehbare Mengen von Aktinien, Korallenbüschen und verschiedenfarbigen Wasserpflanzen. Zwischen ihnen wimmelte es von Tieren.