Jedoch, ganz im Banne gespannter Erwartung und ins Schauen vertieft, hatten sie völlig den heimtückischen Charakter des Planeten vergessen, auf dem sie sich befanden. Gerade wollte Belopolski die Hände auf die Steuerhebel legen, als dichte Nebel plötzlich das matte Abendlicht in die undurchdringliche Finsternis der Nacht verwandelte. Eine unbemerkt herangezogene Regenwand schüttete ihre Wassermassen auf das blinkende Fahrzeug der Eindringlinge.
Der Geländewagen stand unmittelbar am Waldrand, und ehe die beiden es sich versahen, ergoß sich von den Baumkronen ein mächtiger Wasserfall auf sie hernieder. Die Männer errieten bloß, was geschah, weil das rasende Getöse des herabstürzenden Wassers das wilde Rauschen des Regens und die Donnerschläge übertönte.
Der Geländewagen war aus Plaststoffen hergestellt, die die Festigkeit von Stahl besaßen. Aber Belopolski wollte den Wagen nicht unnütz gefährden, startete den Motor und fuhr vom Waldrand weg an den See heran.
Im Scheinwerferlicht erkannten die beiden, daß sich das Ufer in eine brodelnde Flut verwandelt hatte, in der die RaupenLetten ihres Fahrzeugs versanken.
„Ein Wunder, daß der Regen die Stapel nicht in den See spult“, sagte Balandin.
„Sie sind wahrscheinlich gut abgestützt.“ Die Astronauten hatten so oft auf der Venus Gewitter erlebt, daß sie am Charakter des Regens deren Stärke erkannten. Sie wußten sogleich, daß dieses zu den schwächeren, aber ausgedehnten gehörte, die gewöhnlich eine halbe Stunde, eine ganze Stunde oder auch länger dauerten.
Unmittelbar drohte ihnen keine Gefahr, doch Belopolski geriet ernstlich in Sorge. Eine halbe Stunde warten — das konnte für seinen Begleiter, der dringend ärztlicher Hilfe bedurfte, schwere Folgen haben. Der Professor ertrug die Schmerzen mit Haltung und jammerte nicht, aber Konstantin Jewgenjewitsch sah, wieviel Kraft ihn das kostete.
Belopolski drehte die Scheinwerfer nach hinten. Aber er erblickte bereits wenige Schritte hinter dem Wagen nichts als einen einzigen gigantischen Wasserfall. Hinter dieser tosenden Wand lag der schmale Zugang zu dem Waldweg. Es war aussichtslos, ihn in diesem Chaos aus Wasser und Finsternis zu suchen.
Zehn lange Minuten blieb die Lage unverändert. Der ohrenbetäubende Lärm, das Rauschen des Wasserfalls und des Regens, die in der Nahe grellen, jenseits der Wasserwand aber trüben Blitze — all das hatten sie schon viele Male gesehen, und es nötigte ihnen keine besondere Achtung mehr ab. Sie warteten ungeduldig auf das Ende und waren überzeugt, das Gewitter werde ebenso überraschend abziehen, wie es sie überfallen hatte. So war es bisher immer gewesen, an ein solches Finale waren sie gewöhnt, und so würde es auch diesmal kommen.
Die Venus hatte es sich aber anscheinend in den Kopf gesetzt, ihnen eine neue Überraschung zu bereiten, ihnen ein übriges Mal zu beweisen, daß sie vieles zu bieten hatte, was den Menschen der Erde noch nie begegnet war.
Belopolski und Balandin beobachteten staunend, daß der Regen diesmal abflaute — im allgemeinen endete er plötzlich.
Sie erlebten ein Gewitter ganz anderer Art. Es jagte nicht ungestüm über sie hinweg, sondern hielt sich lange, wurde aber immer schwächer. Seltener und leiser polterte der Donner, seltener und matter zuckten die Blitze. Die Finsternis wich einem trüben Dämmerschein. Unvermittelt lief das Wasser vom Ufer ab und befreite das Seegras. Minuten vergingen, und die Männer stellten verdutzt fest, daß sie nichts weiter als einen ganz gewöhnlichen Wolkenbruch erlebt hatten, wie sie ihn von der Erde her kannten. Eine Zauberkraft schien sie blitzschnell von der Venus in die Heimat versetzt zu haben.
Es wurde so hell, daß sie das Ufer des Sees, auf dessen Oberfläche in dichter Folge winzige Fontänen emporschossen, überschauen konnten.
„Genießen Sie das Erlebnis in vollen Zügen!“ sagte Belopolski. „Die Überraschungen nehmen kein Ende.“ „Ich hätte nie gedacht, daß wir auf der Venus einen gewöhnlichen Regen erleben würden.“ „Wenn das Gewitter auch vorüber ist, bedeutet das für uns noch keine Erleichterung.“ Belopolski wies nach hinten auf den Wald.
Der Wasserfall, der von den Wipfeln herabstürzte, hörte nicht auf. Er war bloß nicht mehr so ungestüm und stürmisch.
Zwischen dem Geländewagen und dem Wald hing ein durchsichtiger Wasservorhang, durch den verschwommen Bäume und Sträucher zu erkennen waren. So dünn diese Sperre indes auch sein mochte, der schmale Zugang zu dem Waldweg blieb dennoch unsichtbar.
„Wir müssen versuchen, ihn zu finden“, sagte Belopolski.
„Dieser Regen kann Stunden dauern.“ Energisch ergriff er die Steuerhebel. Er langte nach dem Starterknopf und — erstarrte, die Augen betroffen auf den dunstverhangenen See gerichtet.
Augenblicklich vergaß auch Balandin seine quälenden Schmerzen im Bein und beugte sich mit dem ganzen Oberkörper weit vor — dicht am Ufer bewegte sich etwas Dunkles im Wasser, dann erhob es sich und kam heraus.