Читаем Die Morgenlandfahrt полностью

»Sie sind so betrübt und so hastig«, sagte er begütigend, »das ist nicht hübsch. Es entstellt das Gesicht, und man wird krank davon. Wir wollen ganz langsam gehen, das beruhigt so schön. Und die paar Regentropfen — wunderbar, nicht? Sie kommen wie Kölnischwasser aus der Luft.«

»Leo«, flehte ich, »haben Sie Mitleid! Sagen Sie mir ein einziges Wort: Kennen Sie mich noch?«

»So«, sagte er begütigend und sprach noch immer wie zu einem Kranken oder Betrunkenen, »jetzt gibt sich das schon wieder, es war nur Aufregung.

Sie meinen: ob ich Sie kenne? Ja, welcher Mensch kennt je den ändern oder auch bloß sich selber?

Und ich, sehen Sie, ich bin nun gar kein Menschenkenner.

Esinteressiert mich nicht. Hunde, ja, die kenne ich ganz gut, auch Vögel und auch Katzen.

Aber Sie kenne ich wirklich nicht, Herr.«

»Aber Sie gehören doch zum Bunde? Sie sind dodi damals mit auf der Fahrt gewesen?«

»Ich bin immer auf der Fahrt, Herr, und ich gehöre immer zum Bund. Da kommen und gehen so manche, man kennt sich und kennt sich doch nicht.

Mit den Hunden ist das viel einfacher. Passen Sie auf, bleiben Sie einen Augenblick stehen!«

Er hob ermahnend den Finger. Wir standen auf der nächtlichen Gartenstraße, die sich mehr und mehr mit dünn niedersinkender Feuchtigkeit beschlug.

Leo spitzte die Lippen und ließ einen gedehnten, vibrierenden, leisen Pfiff ertönen, wartete eine Weile, pfiff noch einmal, und ich schrak ein wenig zusammen, als plötzlich dicht vor uns, hinter dem Gitterzaun, an dem wir standen, ein großer Wolfshund aus dem Gebüsch sprang und sich freudig winselnd ans Gitter drängte, um von Leos Fingern zwischen den Stangen und Drähten hindurch gestreichelt zu werden. Hellgrün leuchteten die Augen des starken Tiers, und sooft sein Blick mich traf, knurrte es tief in seiner Kehle, wie ferner Donner, kaum hörbar.

»Dies ist der Wolfshund Necker«, sagte Leo vorstellend, »wir sind sehr gute Freunde. Necker, dies hier ist ein ehemaliger Violinspieler, du darfst ihm nichts tun, auch nicht bellen.«

Wir standen, und Leo kraute durchs Gitter hindurch zärtlich das feuchte Hundefell. Es war eigentlich eine hübsche Szene, es gefiel mir eigentlich sehr, wie er mit dem Tier befreundet war und ihm die Freude dieser nächtlichen Begrüßung machte; aber zugleich war es mir kläglich und schien mir kaum zu ertragen, wie Leo da mit die — sem Wolfshund und wahrscheinlich mit vielen, vielleicht mit allen Hunden der Gegend in so vertraulicher Freundschaft stand, während ihn von mir eine Welt von Fremdheit trennte. Die Freundschaft und das Vertrauen, um die ich flehend und demütigend mich bewarb, schien nicht nur diesem Hunde Necker, sie schien jedem Tier, jedem Regentropfen, jedem Fleck Erdboden zu gehören, den Leo betrat, er schien beständig sich hinzugeben, immerzu in fließender, wogender Beziehung und Gemeinschaft mit seiner Umgebung zu stehen, alles zu kennen, von allen gekannt und geliebt zu sein, — nur zu mir, der ich ihn so sehr liebte und seiner so sehr bedurfte, führte ihn kein Weg, nur mich allein trennte er ab, betrachtete mich fremd und kühl, ließ mich nicht in sein Herz, hatte mich aus seinem Gedächtnis gestrichen.

Wir gingen langsam weiter, mit leisen wohligen Lauten der Zuneigung und Freude begleitete ihn jenseits des Zaunes der Wolfshund, ohne doch meine lästige Gegenwart zu vergessen, denn noch mehrmals unterdrückte er Leo zuliebe den grollenden Ton von Abwehr und Feindschaft in seiner Kehle.

»Verzeihen Sie mir«, fing ich wieder an, »ich hänge mich da an Sie und nehme Ihre Zeit in Anspruch, und Sie wollen natürlich nach Hause und ins Bett.«

»Oh, warum denn?« lächelte er, »ich habe nichts dagegen, eine Nacht hindurch so zu schlendern, es fehlt mir weder an Zeit dazu noch an Lust, falls es Ihnen nicht zuviel wird.«

Er hatte es so hingesagt, sehr freundlich und gewiß ohne jede Nebenabsicht. Aber kaum waren die Worte gefallen, so spürte ich plötzlich im Kopf und tief in allen Gelenken, wie furchtbar müde ich war, wie schwer mir jeder Schritt dieser nutzlosen und für mich so beschämenden Nachtwanderung fiel.

»Es ist wahr«, sagte ich geschlagen, »ich bin sehr müde, erst jetzt merke ich es. Es hat ja auch keinen Sinn, so des Nachts im Regen herumzulaufen und ändern Leuten zur Last zu fallen.«

»Wie Sie meinen«, sagte er höflich.

»Ach, Herr Leo, damals auf der Bundesfahrt ins Morgenland haben Sie nicht so mit mir gesprochen.

Haben Sie denn wirklich das alles vergessen?

... Nun, es nützt nichts, lassen Sie sich nicht weiter aufhalten. Gute Nacht.«

Schnell war er in der finstern Nacht verschwunden, ich blieb allein zurück, dumm, vor den Kopf geschlagen, ich hatte das Spiel verloren. Er kannte mich nicht, wollte mich nicht kennen, er machte sich über mich lustig.

Ich ging den Weg zurück, hinterm Gitterzaun bellte wütend der Hund Necker. Mitten in der feuchten Wärme der Sommernacht fror ich vor Müdigkeit, Trauer und Alleinsein.

Перейти на страницу:

Похожие книги

Том 12
Том 12

В двенадцатый том Сочинений И.В. Сталина входят произведения, написанные с апреля 1929 года по июнь 1930 года.В этот период большевистская партия развертывает общее наступление социализма по всему фронту, мобилизует рабочий класс и трудящиеся массы крестьянства на борьбу за реконструкцию всего народного хозяйства на базе социализма, на борьбу за выполнение плана первой пятилетки. Большевистская партия осуществляет один из решающих поворотов в политике — переход от политики ограничения эксплуататорских тенденций кулачества к политике ликвидации кулачества, как класса, на основе сплошной коллективизации. Партия решает труднейшую после завоевания власти историческую задачу пролетарской революции — перевод миллионов индивидуальных крестьянских хозяйств на путь колхозов, на путь социализма.http://polit-kniga.narod.ru

Джек Лондон , Иосиф Виссарионович Сталин , Карл Генрих Маркс , Карл Маркс , Фридрих Энгельс

История / Политика / Философия / Историческая проза / Классическая проза