»Was zum –?«, sagte der Mann mit krächzender Stimme, dann verstummte er.
»Und zwar eine Lüge, die leicht zu durchschauen ist. Mehr noch, es wundert mich, dass Sie infolgedessen nicht einen
Der Mann machte den Mund auf, um zu protestieren, aber Pendergast faltete das Blatt zusammen, steckte es wieder ein und fuhr fort. »Bitte vergeuden Sie Ihre Zeit nicht mit Einwänden. Ich bringe das alles nur der Form halber zur Sprache – um sicherzugehen, dass uns dieser Friedhof nicht noch mehr zu erzählen hat. Schauen Sie, das Herz wurde nicht um zwei Uhr morgens auf dem Grab von Elise Baxter zurückgelassen – und zwar wegen der schlichten Tatsache, dass es zu dem Zeitpunkt noch in der Brust seiner Besitzerin schlug. Ms Montera wurde erst um vier Uhr morgens getötet.« Er hielt inne und beobachtete die Reaktion des Wachmanns. »Tatsächlich haben Sie in jener Nacht nichts gehört. Die einzig wichtige Frage lautet daher: Warum haben Sie gelogen?«
Erneut blickte der Mann zwischen Coldmoon und ihm hin und her, jedoch wirkte sein Gesichtsausdruck jetzt panisch.
Pendergast wartete, eine bedeutungsschwangere Pause entstand. Plötzlich rief Coldmoon, gerade als der Wachmann Luft holte, um etwas zu sagen, dazwischen: »Weil Sie Ihren Rausch ausgeschlafen haben.«
Welter und Agent Pendergast wandten sich zu ihm um.
Coldmoon redete weiter. »Ihre Schicht begann um Mitternacht. Angesichts der beiden Sechserpacks Pabst Blue Ribbon, die Sie getrunken haben, dürfte Ihre Blutalkoholkonzentration um die zwei Promille betragen haben, sodass Sie nicht in der Lage waren, irgendwelche Störungen zu bemerken, erst recht nicht, ihnen nachzugehen.«
»Sie –«, setzte der Wachmann erneut an, verstummte dann aber ein weiteres Mal.
»Fest steht, dass Sie in einer Sache gelogen haben, und zwar weil die Geschäftsführung nicht erfahren sollte, dass Sie während der Arbeitszeit betrunken waren.«
Keiner bewegte sich.
»Nicken Sie einfach, wenn das stimmt, Mr Welter«, sagte Coldmoon. »Einmal reicht.«
Nach kurzem Zögern nickte der Wachmann kaum wahrnehmbar.
»Prima«, sagte Coldmoon und sah kurz zu Pendergast. »Gibt’s sonst noch etwas, was Sie fragen wollen?«
»Nein danke«, erwiderte Pendergast.
Auf der Fahrt im Auto nach Süden sagte keiner von ihnen ein Wort. Als sie North Beach passierten, fragte Coldmoon schließlich: »In welchem Hotel wohnen Sie?«
»Im Fontainebleau. Und Sie?«
»Holiday Inn.«
»Herzliches Beileid.«
»Also – ich muss Sie das fragen – übernimmt das Bureau Ihre Hotelrechnung?«
»Nein. Da ich annehme, dass Ihr Hotel weiter südlich liegt als meines – könnten Sie mich bitte vorher absetzen? Ich sage Lieutenant Sandoval, er soll Ihnen eine zweite Kopie der Ermittlungsakte herüberschicken, damit Sie sich die anschauen können, zusammen mit allen neuen Laborberichten. Wir können uns dann am Nachmittag wieder treffen. Ist Ihnen das recht?«
»Natürlich.«
Nachdem wieder ein, zwei Minuten vergangen waren, hatte Coldmoon das Gefühl, Pendergast würde ihn ansehen. »Ahnen Sie, warum ich diese Leute gebeten habe, als Gruppe am Grab mit uns zu sprechen statt einzeln?«
»Nein.«
»Ah.« Pendergast setzte sich in seinem Sitz zurück.
»Aber wenn
»Sehr gut«, sagte Pendergast – und schwieg rund anderthalb Kilometer lang, ehe er sich wieder äußerte. »Wie sind Sie eigentlich dahintergekommen, dass der Wachmann seinen Rausch ausgeschlafen hat?«
»Auf die gleiche Weise wie Sie: das Dutzend leerer Bierdosen, die hinter seinem Schuppen lagerten. Nach dem Mord blieb ihm in all seiner Aufregung offenkundig nicht mehr genug Zeit, sie zu beseitigen. Er hat sie dort versteckt und gehofft, dass sie niemandem auffallen. Und dann hat er sich entschlossen, sich irgendetwas Vages auszudenken und es der Polizei aufzutischen. Das bedeutet, dass er wach war.«
Schweigen vom Beifahrersitz.
»Deswegen haben Sie es doch auch gewusst, oder?«, fragte Coldmoon.
»Ah, da wären wir!«, rief Pendergast unvermittelt, als die große, geschwungene Auffahrt des Fontainebleau in Sicht kam. Coldmoon fuhr direkt vor das Eingangsportal, Pendergast stieg aus. »Wollen wir sagen, um fünfzehn Uhr im Poolbereich?«
»Einverstanden.«