»Es könnte sein, dass er mit uns spielt. Der Brief, selbst das Grab, könnte ein Ablenkungsmanöver darstellen.«
»Stimmt. Und genau deswegen müssen wir nach Maine fliegen.«
Coldmoon hob eine Braue. In seinem ausdruckslosen Gesicht fiel die kleine Veränderung der Mimik extrem stark auf.
»Ah ja, habe ich da eben einen Einwand herausgehört?«
Coldmoon hatte seine Erwiderung, als sie dann erfolgte, sorgfältig bedacht. »Im Fall des Selbstmords von Elise Baxter zu ermitteln – ich nehme an, dass dies Ihre Absicht ist –, scheint mir im Moment von eher untergeordneter Bedeutung zu sein.«
»Überlegen Sie doch mal: Die Beweismittel, die wir im Mordfall von Ms Montera gesehen haben, haben zu nichts geführt.«
»Aber es kommen immer noch neue Indizien herein. Das Verbrechen hat sich erst vor sechsunddreißig Stunden ereignet.«
»Umso mehr Grund, dass wir uns beeilen. Es kann noch einmal sechsunddreißig Stunden dauern, bis die Polizei in Miami Beach ihre Laborarbeiten beendet hat. Es könnten weitere Morde im Anzug sein.«
»Bei allem Respekt, Agent Pendergast, so ermittelt das Bureau nicht in so einem Fall. Die Tat ist in Miami begangen worden.
Einen Moment lang schwieg Pendergast. Dann trank er nachdenklich einen Schluck von seinem Mint Julep. »Ich hatte befürchtet, dass Sie das sagen. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen dem
»Hübscher Vergleich. Aber selbst wenn ich Ihnen zustimmen würde, gäbe es da ein Problem.«
Agent Pendergast nahm die übereinandergeschlagenen Beine auseinander. »Ich vermute, Sie spielen auf unseren gemeinsamen Freund Pickett an.«
Coldmoon nickte.
»Bitte entschuldigen Sie, aber ich bin es nicht gewohnt, an die Leine gelegt zu werden.« Pendergast trank noch einen kleinen Schluck. »Na, war ja nur ein Vorschlag. Vielleicht sollten Sie ihn anrufen und umgehend seine Ablehnung einholen. Zu einem späteren Zeitpunkt würde es mir den Appetit fürs Abendessen verderben.«
Einen Augenblick lang blickte sich Coldmoon um, betrachtete das Äußere der Cabana. Dann zog er sein Mobiltelefon aus der Hosentasche, wählte und stellte leise auf Mithören.
Der Anruf wurde beim dritten Klingeln angenommen. »Pickett.«
»Sir, hier spricht SA Coldmoon. SA Pendergast hört zu.«
»Meinetwegen. Gibt’s Fortschritte?«
Coldmoon verschwendete keine Zeit, er kam sofort zur Sache. »Sir, Agent Pendergast ist der Meinung, wir sollten nach Maine fliegen.«
»Maine? Wozu das?«
In einer geschmeidigen Bewegung kickte Pendergast seine Schuhe auf den gefliesten Boden. »Sir«, sagte er und beugte sich in Richtung Handy, »ich glaube, die örtlichen Behörden haben die Ermittlungen hier gut im Griff, und ich würde gerne untersuchen, ob es eine Verbindung zwischen den beiden Frauen gibt.«
»Verbindung? Nach allem zu urteilen, was ich gelesen habe, hat der Mörder die Grabstätte rein zufällig ausgewählt.«
»Wie können wir da sicher sein?«
»Welche Verbindung könnte es denn überhaupt geben?«, fragte Pickett ungeduldig.
»Das wissen wir noch nicht. Ich habe den Antrag gestellt, Ms Baxters Leichnam zu exhumieren, aber ihre Eltern sperren sich dagegen. Und –«
»Was mich gar nicht wundert. Was wollen Sie eigentlich damit andeuten? Dass es sich gar nicht um Selbstmord handelt? Dass sie ermordet wurde? Ist das Ihre ›Verbindung‹?«
»Wie gesagt, das können wir unmöglich wissen – es sei denn, wir nehmen eine Exhumierung vor.«
»Alles, was Sie wissen müssen, steht im abschließenden Gutachten des Rechtsmediziners. Hören Sie auf, sich auf diesen Suizid zu konzentrieren, und vergessen Sie die Idee einer zweiten Obduktion. Sie haben einen Mord zu untersuchen, der in Miami stattgefunden hat. Haben Sie schon mit der Familie der Toten gesprochen, wie hieß sie noch gleich – Montoya?«
»Montera. Nein, noch nicht. Agent Coldmoon und ich haben jedoch die Abschriften ihrer Befragungen durch die Polizei Miami Beach gelesen, und die sind –«