Leise vor sich hin murmelnd, folgte Iris der Richtung, in die der Hund gelaufen war. Als sie bei der Gruppe Palmen ankam, blieb sie stehen und blickte sich um. Twinkle war nirgends zu sehen. Sie wollte ihr Hündchen schon rufen, besann sich jedoch eines Besseren – sie befand sich ja schließlich auf einem Friedhof. Einem Hund hinterherzurennen, der sich losgerissen hatte, war schon schlimm genug. Und jetzt erkannte sie auch, woher die Bewegungen, die sie vorhin bemerkt hatte, rührten: von einer aus drei Personen bestehenden Gruppe – zwei Mädchen und ein Mann in mittleren Jahren, die links von ihr in einem Halbkreis um ein Grab standen.
Just in diesem Moment fiel Iris’ Blick auf eine blitzschnelle Bewegung: Twinkle. Er stand etwa sieben Meter vor ihr, dort, wo der Friedhof ans Wasser grenzte, und wühlte wie verrückt in einem Amaryllis-Beet. Die Erde spritzte nur so auf.
Das war ja
»Böser Hund!«, schalt Iris so laut, wie sie sich traute. »Böser, böser Hund!« Sie wollte sich schnappen, was Twinkle da gefunden hatte, in der Absicht, es ihm wegzunehmen, doch er entwischte ihrem Griff. Der Gegenstand hatte die Größe eines Mini-Spielzeugfußballs, war aber derart dick von Schmutz und Hundespeichel überzogen, dass sie nicht erkennen konnte, worum genau es sich handelte.
»Lass das los, hast du verstanden?« Twinkle knurrte, als Iris erneut die Hand danach ausstreckte, aber diesmal gelang es ihr, ein Ende des Gegenstands zu packen. Sie wusste ja, er würde sie nicht beißen – es ging nur darum, dass sie ihm das Ding aus dem Maul zog. Nur war Twinkles Beute ekelerregend schlüpfrig, und er hielt sie hartnäckig fest. Es kam zu einer Art Zweikampf: Iris zog den Hund zu sich heran, Twinkle wehrte sich und grub die Pfoten in den Sand. Ein wenig ängstlich sah Iris nach hinten, aber die Gruppe an der anderen Grabstätte hatte nichts mitbekommen.
Das heftige Tauziehen dauerte fast eine halbe Minute. Am Ende war der Gegenstand schlicht zu groß, als dass Twinkles kleines Maul ihn festhalten konnte, und mit einem entschlossenen Ruck gelang es Iris, ihm ihn zu entreißen. Nachdem sie sich aufgerichtet und überprüft hatte, dass sie Handtasche und Leine fest in Händen hielt, sah sie, dass es sich bei dem Gegenstand um ein Fleischstück handelte. Während des Gerangels war eine klebrige, rötliche Flüssigkeit herausgetropft, auf ihre Hand und Twinkles Schnauze. Gleichzeitig fiel Iris auf, wie ungewöhnlich das Fleischstück war – zäh und ledrig. Ihre erste Regung war, es angewidert loszulassen, aber dann hätte Twinkle doch nur wieder danach geschnappt.
Während der Hund kläffte und sprang und versuchte, seinen Fund wiederzubekommen, griff Iris in die Handtasche, zog das Taschentuch hervor und wischte das Ding ab. Was um alles in der Welt hatte es auf einem Grab zu suchen?
Als sie die eine Seite säuberte, kam plötzlich eine kurze, dicke karmesinrote Röhre – vergleichbar dem Ende eines Kühlerschlauchs – zum Vorschein. Plötzlich verharrte sie, wie starr vor Schreck. Sie war lange genug die Ehefrau eines Fleischers gewesen, um inzwischen genau zu wissen, was da auf ihrer Hand lag. Das hier musste ein Traum sein, ein Albtraum, es konnte unmöglich wirklich sein.
Das Gefühl der Irrealität hielt nur für einen Sekundenbruchteil an. Dann stieß Iris einen Schrei des Abscheus aus und ließ das Ding fallen, als hätte es ihr die Hand verbrannt. Sofort steckte Twinkle es sich ins blutverschmierte Maul und riss sich erneut los, rannte triumphierend davon, die Leine hinter sich herziehend. Doch Iris nahm nichts mehr davon wahr. Sie hatte so ein merkwürdiges Brausen im Ohr, und auf einmal spürte sie, dass ihr ganz heiß wurde. Schwarze Pünktchen tanzten an den Rändern ihres Gesichtsfelds. Das Brausen wurde lauter, dann noch lauter, und das Letzte, was sie sah, bevor sie bewusstlos zu Boden sank, war, dass die Gruppe am anderen Grab auf sie zulief.
2
Lediglich mit einem feuchten, um die Taille geschlungenen Badetuch bekleidet, entspannte sich Assistant Director in Charge Walter Pickett in der mit Zedernholz verkleideten Sauna. Die Sauna war groß, ausgestattet mit zwei Reihen von Bänken und leer bis auf einen anderen Mann – jung und groß gewachsen, mit dem Körperbau eines Schwimmers –, der am anderen Ende nahe der Tür saß. Pickett selbst saß hinter dem Aufgusseimer, der dabei half, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit in dem Raum zu regulieren. Pickett zog es vor, jedwede Lage, in der er sich befand, im Griff zu haben.
Neben ihm auf der Bank lag ein einzelnes Blatt Papier, geschützt von einer Klarsichthülle.