Er sah kurz auf das in die Täfelung eingelassene Thermometer. Zwar war es wegen der Luftfeuchtigkeit ein wenig beschlagen, aber die Temperatur ließ sich trotzdem darauf ablesen: angenehme 75 Grad.
Die Sauna grenzte an den Männerumkleideraum und die Duschen tief in einem Nebengebäude des FBI in der Worth Street. Der Komplex beherbergte nicht nur verschiedene Außenstellen, sondern auch eine Schießanlage und derartige Annehmlichkeiten wie Squashplätze, einen Swimmingpool und natürlich diese Sauna. Zudem lag es nur um die Ecke von seinem Büro im FBI-Hauptgebäude an der Federal Plaza 26. Die Räumlichkeiten dort waren gar nicht zu vergleichen mit seinem spartanischen Büro in Denver, wo er bis vor drei Monaten als Special Agent in Charge tätig gewesen war.
Nachdem Pickett die Academy mit Abschluss verlassen hatte, war er schnell aufgestiegen und hatte sich in den Dezernaten Spionageabwehr und Kriminelle Unternehmungen wie auch in der Abteilung für Interne Ermittlungen (OPR) einen Namen gemacht. Auf seine jetzige Stelle, Einsatzleiter in New York City, hatte er schon lange ein Auge geworfen. Sie stellte einen der echten Top-Posten im Bureau und das natürliche Sprungbrett nach Washington dar. Alles hing nun davon ab, dass er den Laden in den Griff bekam und in aufsehenerregenden Fällen große Siege einfuhr … Und Pickett hegte keinerlei Zweifel daran, dass er zu beidem fähig war.
Er lehnte sich mit den nackten Schultern zurück gegen das heiße Holz und spürte, wie sich die Hautporen in der feuchten Hitze öffneten. Ein angenehmes Gefühl. Pickett schloss halb die Augen und dachte nach. Er hatte größtes Vertrauen in seine Fähigkeiten und vermied gewissenhaft alles, was – wie er das bei vielen anderen talentierten Agenten miterlebt hatte – die Karriere gefährden könnte. Dabei war er kein Wichtigtuer, kein offensichtlicher Karrierist oder Leuteschinder. Einen der wertvollsten Posten hatte er in der Abteilung zur Vernehmung hochrangiger Gefangener bekleidet, wo er nach dem Studium an der Academy mehrere prägende Jahre zugebracht hatte. Dies hatte ihm, neben seiner kurzen Zeit in der OPR, ein Maß an psychologischer Einsichtsfähigkeit verschafft, die bei einem FBI-Dienstvorgesetzten selten war. Seither hatte er ausgiebig Gebrauch davon gemacht, was er dort über das menschliche Verhalten und das Wesen der Überredung gelernt hatte.
Als er die Außenstelle in New York City übernahm, hatte er sie in ganz schlechtem Zustand vorgefunden. Moral und Stimmung waren schlecht, die Aufklärungsraten lagen unter dem Durchschnitt. Das Office hatte einen Wasserkopf, es gab zu viele Schreibtischtäter. Letzteres Problem hatte er durch eine Reihe von Versetzungen und Vorruhestandsregelungen gelöst. Er war zwar von Natur aus kein Mikromanager, aber er hatte sich die Zeit genommen, jede Abteilung unter die Lupe zu nehmen, die vielversprechendsten Leute aufzuspüren und ihnen Posten mit größerer Verantwortung anzuvertrauen – selbst wenn das bedeutete, sie jenen Kollegen vor die Nase zu setzen, die schon länger beim FBI waren. Die Umwandlung der Außenstelle in eine echte Leistungsgesellschaft hatte das Problem mit der Arbeitsmoral gelöst. So hatte er trotz seiner Tätigkeit beim OPR – so wie jeder in den Strafverfolgungsbehörden misstrauten auch FBI-Agenten allen, die in der Abteilung Interne Ermittlungen gearbeitet hatten – den Respekt und die Loyalität seiner Untergebenen gewonnen. Jetzt lief es in der New Yorker Außenstelle endlich wieder rund, alle Rädchen griffen ineinander. Selbst die Aufklärungszahlen gingen langsam wieder nach oben. Es war ihm gelungen, eine Wende einzuleiten, und das in einer einzigen Saison. Er hatte seinen Job gut gemacht, aber er achtete sehr darauf, jeden Anflug von Selbstbeglückwünschung zu vermeiden.
Trotz all dieser Erfolge gab es da allerdings immer noch ein Problem, das er angehen musste. Eine heikle Personalangelegenheit, die ihm sein Amtsvorgänger vererbt hatte. Er hatte sich diese ganz besondere Schwierigkeit bis ganz zum Schluss aufgehoben.
Im Laufe der Jahre hatte sich Pickett mit mehr als genug lästigen Agenten herumgeschlagen. Seiner Erfahrung nach waren solche Leute entweder antisoziale Einzelgänger oder komplexbeladene Typen, die mit reichlich viel persönlichen Problemen beim FBI angefangen hatten. Wenn sie nichts brachten, dann zögerte er auch nicht, sie Knall auf Fall zu versetzen – Nebraska benötigte ja schließlich auch Außenagenten. Wenn sie vielversprechend zu sein schienen beziehungsweise beeindruckende Zahlen vorweisen konnten, dann galt es, sie umzuerziehen. Dann stieß er sie unsanft aus ihrer Komfortzone, brachte sie in einem ihnen unbekannten Umfeld unter, übertrug ihnen eine Aufgabe, die ihnen völlig unvertraut war. Und er sorgte dafür, dass sie wussten, dass sie unter Beobachtung standen. Diese Technik hatte bei den Verhören und den internen Ermittlungen über Dienstvergehen funktioniert – und wirkte ebenso gut, wenn es darum ging, einzelgängerische Agenten in die FBI-Familie zurückzuholen.