»Also gut, wie hat der Täter das alles hier umgangen?«
»Die erste Aufgabe hat er vor ein paar Tagen erledigt. Draußen auf der Straße, direkt vor dem Haus, hat er mittels eines Blockers die stündlichen Okay-Meldungen der Mobilfunkverbindung unterbrochen. Das ließ sich von einem geparkten Wagen aus erledigen, mit einem ziemlich preiswerten elektromagnetischen Störsender. Es reichte, ein paar periodische Störsignale auszusenden, die das Mobilfunk-Signal blockierten. Das hat Sharps & Gund getäuscht, sodass sie glaubten, das Gerät sei defekt und müsse ersetzt werden. Also haben sie zwei Männer – immer zwei – mit einem neuen Gerät losgeschickt. Normalerweise parken sie im Halteverbot, und einer der Jungs bleibt beim Servicewagen. Aber Ihr Täter hat sich mittels zweier Verkehrshütchen einen wirklich praktischen Parkplatz für den Coup ergattert. Etwas weiter unten an der Straße. Sehr verführerisch. Also parken die Jungs dort und gehen zum Haus, wobei sie ihren Servicewagen etwa drei Minuten lang unbeaufsichtigt lassen.«
»Das alles haben Sie ganz allein herausgefunden?«
»Ja, klar.«
D’Agosta nickte; er war beeindruckt.
»Ihr Eindringling bricht in den Servicewagen ein, kriegt das Mobilfunkgerät in die Finger, tauscht die SD-Karte gegen eine mit Schadsoftware darauf aus und steckt diese wieder hinein. Die Servicetechniker kehren zurück, holen ihre Sachen aus dem Wagen, gehen ins Haus, öffnen den absolut sicheren Tresor mit dem Code, den sie aus dem Homeoffice mitbekommen haben. Installieren das neue Gerät für den Mobilfunk und fahren wieder ab. Dann lädt sich die Schadsoftware selbstständig in das System herunter und kapert es. Total. Die verfluchte Schadsoftware hat die Haustür für Ihren Killer aufgeschlossen, dann hinter ihm abgeschlossen. Sie hat die Telefone ausgestellt. Sie hat die Infrarotstrahlen, die Bewegungsmelder und Druckplattensensoren ausgeschaltet, während gleichzeitig die Überwachungskameras weiterhin funktionierten. Sie hat sogar den Tresor aufgeschlossen, sodass der Täter die Festplatten mitnehmen konnte, als er das Haus verließ.«
»Wie konnte ein anonymer Täter so viel über das System wissen, dass er diese Schadsoftware schreiben konnte?«, fragte D’Agosta.
»Er konnte es nicht.«
»Sie meinen, es war ein Insider-Job?«
»Absolut, keine Frage. Der Eindringling muss die Systemsoftware der Firma dekompiliert haben, um die Schadsoftware schreiben zu können. Er hat genau gewusst, was er tut – und sich mit den proprietären Lösungen des Unternehmens ausgekannt. Meiner Meinung nach steht zweifelsfrei fest, dass ein S-&-G-Mitarbeiter oder Ex-Mitarbeiter an der Sache beteiligt war. Und nicht nur irgendwer, sondern jemand, der mit dem Installierungsverfahren sehr vertraut ist. Und zwar
Das war eine verdammt gute Spur. Aber das Dachgeschoss hier machte D’Agosta fertig. Er war schweißgebadet, die Luft enorm stickig. Er konnte es gar nicht abwarten, endlich wieder zurück in die Dezemberkälte zu kommen. »Sagen Sie mal, sind wir hier oben fertig?«
»Ich glaube, ja.« Doch anstatt zur Treppe zu gehen, senkte Marvin die Stimme. »Ich muss Ihnen allerdings eines sagen, Lieutenant: Als ich versucht habe, eine Liste der derzeitigen und früheren S-&-G-Mitarbeiter zu erhalten, bin ich gegen eine Mauer gerannt. Der Geschäftsführer, Jonathan Ingmar, ist ein Weltklasse-Quertreiber.«
»Das lassen Sie mal unsere Sorge sein, Mr. Marvin.« D’Agosta geleitete ihn praktisch an der Schulter in Richtung Treppe. Sie stiegen hinunter in die kühlere Luft.
»Wird alles in meinem Bericht stehen«, sagte Marvin. »Die technischen Details, die technischen Daten des Systems, das komplette Programm. Morgen haben Sie ihn.«
»Vielen Dank, Mr. Marvin. Sie haben großartige Arbeit geleistet.«
Als sie sich im vierten Stock befanden, holte D’Agosta ein paarmal tief und dankbar Luft.
8
Martini?«
In der Wohnung an der Fifth Avenue, aus deren Wohnzimmer man einen weiten Blick über den Central Park und das Onassis Reservoir hatte, dessen Wasseroberfläche in der spätnachmittäglichen Sonne schimmerte, machte es sich Bryce Harriman wieder auf dem Louis-quatorze-Sofa bequem. Dabei wahrte er sein cooles Gebaren, das Reporter-Notizbuch hatte er sich aufs Knie gelegt. Natürlich war das Notizbuch nur Show, er nahm ja alles mit dem Handy auf, das in der Brusttasche seiner Anzugjacke steckte.
Es war elf Uhr morgens. Harriman pflegte zwar regen gesellschaftlichen Umgang mit Menschen, die vor zwölf die ersten Cocktails tranken – er war in diesen Kreisen aufgewachsen –, doch jetzt arbeitete er und wollte einen klaren Kopf behalten. Andererseits hatte er durchaus Verständnis, dass es Izolda Ozmian, die ihm gegenüber auf einer Chaiselongue saß, ernsthaft nach einem Drink verlangte … wozu er sie unbedingt ermuntern sollte.
»Ich würde gerne etwas trinken«, sagte Harriman. »Einen doppelten Martini, ohne Eis, mit Zitrone. Hendricks, wenn Sie haben.«
Er sah, dass sich ihre Gesichtszüge aufhellten. »Ich nehme das Gleiche.«