Ein Anderesmal, w"are ich nicht so gut abgekommen, wenn mich nicht eine Frau aus der Verlegenheit gezogen h"atte, die eben kein Tugendspiegel war. Sie wohnte schr"ag gegen mir "uber, war sehr sch"on, und stand nicht im besten Rufe. Eines Vormittags, kam sie zu mir, und bat, ob ich nicht eine Scheere habe, die ich ihr k"auflich "uberlassen k"onnte? Ich suchte nach, fand eine solche, die aber etwas
war, und die ich darum zur"uckliess weil ich sie der M"uhe des Einpackens nicht werth hielt. Sie fragte nach dem Preis, und ich weigerte mich durchaus von ihr anzunehmen, da die Scheere verrostet ist, und kaum der Rede werth sey. Indem wir aber noch miteinander nicht einig werden konnten, sie durchaus bezahlen und ich nichts annehmen wollte, trat ein herein, und fragte „Ob ich zu verkaufen habe, und was die Flasche kostet?[“] – Dieses war gleichfalls ein Artikel, den ich nicht einpacken wollte, wie "uberhaupt alle , die ich im hatte, weil sie schwer zu packen, und zu transportieren waren; welche mir nachher aber viel brachten, ohnerachtet ich sie zu Zeit verlohren gab, als ich meine Waaren und Sachen an fremde Orte verbarg, die ich nachher nicht wieder sah. – Ich zeigte dem Commissair meine Dinte, das Fl"aschgen zu einem Frank, und er befahl 100 Fl"aschgen einzupacken, die ich auch sogleich in einen grossen Korb legte. Der Commissair trat ans Fenster, und rief zwey eben vor"ubergehende Soldaten und befahl ihnen, den Korb wegzubringen. Als ich aber nach fragte, ward der Commissair bitter b"ose, fand es unversch"amt, dass ich von einem Hofcommissair Geld zu fodern wagte, da die Dinte f"ur die bestimmt sey. Ich wollte mich schon um dieses Arguments willen in meinen Verlust ergeben, und dachte, besser 100 Fl"aschgen Dinte, als 200 Bouteillen Estragonessig ohne Geld weggeben zu m"ussen. Da trat meine anwesende Nachbarin mit heroischem Anstand dem Comissair entgegen, und sagte gebieterisch: Bezahlen Sie die Dinte, oder unterstehen Sie sich nicht den Korb anr"uhren zu lassen. Der h"ofliche Franzose fragte, Madame wer sind Sie? Sie antwortete, als ob es die gr"osste Ehre br"achte: Ich bin die Maitresse jenes Generals, der hier gegen"uber wohnt, und eben jetzt zum Fenster hinaus siehet, und den ich sogleich her"uberrufen werde, damit er Sie lehre, dass es dem grossen Kaiser Schande macht, wenn seine Hofcommissaire in Namen , denn was er seinen erlauben muss, wird der grosse Napoleon gewiss nicht f"ur sich durch seine thun lassen. Der Commissair machte einen B"uckling, zog den Beutel, legte 5 halbe 40 Frankenst"ucke auf den Tisch, befahl den Korb zu nehmen, machte ein h"ofliches Compliment, und ging davon. So war meine Scheere wirklich bezahlt, und die Dame sagte mit dem Anstand einer K"onigin ihre fernere Potection zu, u. gebot mir, in "ahnlichen F"allen, nach ihren Beystand zu suchen, den ich aber Gottlob nicht bedurfte. In der dritten Woche nach Napoleons Einzug in Moskau, befahl er, dass 3000 Unteroffiziere von der ganzen Armee, nach Frankreich marschieren sollten, um die Cadres zu der Complettirung des Heeres zu bilden. Diese Gelegenheit benutzten die meisten Gener"ale, Offiziere etc. um ihre Kostbarkeiten, die sie in Russland sich zugeeignet hatten, unter diesen – wie sie meynten – Geleite nach Frankreich abzuschicken. Auch schlossen sich an diesem Zuge, Alle an, die mit der Armee aus dem Auslande bis Moskau, als Bediente, Marquetender, "uberhaupt alle die als freye Leute gekommen waren, nicht l"anger bleiben wollten, und wieder aus Russland gehen konnten. Endlich auch entschlossen sich mehrere Franzosen, Italiener, und andere Ausl"ander, die viele Jahre in Russland ans"assig waren, zur Mitreise, welche bey dieser Gelegenheit, ohne P"asse, "uber die russische Gr"anze zu kommen hoften. So sammelten sich mehrere hundert Wagen aller Art zusammen, und der Zug war un"ubersehbar lang. Aber ihre Hoffnung ward schrecklich get"auscht; denn der ganze Zug fiel den Kosacken in die H"ande, die uns"agliche Reichth"umer aller Art bey diesem Fange erbeuteten; besonders fanden sie viel , von eingeschmolzem , welche die Kirchenr"auber einschmelzen, und zum bequemern Transport in Barren verwandeln liessen; wobey sich viele Moskauer Einwohner bereicherten, indem sie das feine Silber beym Schmelzen mit andern Metallen legiereten, so dass sie zwar, das , aber nicht den Werth, der eingeschmolzenen Sachen ablieferten; ohne dass ihr Betrug nur geahnet ward; weil sie mit ihrem Munde sich als die eifrigsten Franzosenfreunde bezeugeten. Von den Mitgereiseten Einwohnern Moskaus kamen nachher mehrere in den allerkl"aglichsten Umst"anden, krank, nackend, und so elend zur"uck, dass die Meisten bald darauf starben. Besonders traf dieses traurige Loos franz"osische Damen, mit denen die Kosaken nicht am gelantesten verfuhren. Bey dieser Gelegenheit gewann ich eine milchende Kuh, die mir mehr Dienste leistete, wie 1000 Rubel Geld mir gebracht haben w"urden.