Читаем Немецкий язык с Генрихом Бёллем. Хлеб ранних лет полностью

2          Solch ein Zimmer, wie ich es für Mullers Tochter suchen musste, suchen in unserer Stadt vielleicht zwanzigtausend Menschen; solcher Zimmer gibt es aber nur zwei oder gar eins, und es wird von einem jener unerkannten Engel vermietet, die sich hin und wieder unter die Menschen verirren — ich habe ein solches Zimmer, ich habe es gefunden, damals als ich Vater bat, mich aus dem Lehrlingsheim zu nehmen. Mein Zimmer ist groß, mit wenigen alten, aber bequemen Möbeln ausgestattet, und die vier Jahre, die ich darin schon wohne, kommen mir wie eine Unendlichkeit vor: ich habe die Geburten der Kinder meiner Wirtin erlebt, bin Pate des Jüngsten geworden, weil ich es war, der in der Nacht die Hebamme holte. Wochenlang habe ich in der Zeit, in der ich früh aufstand, Robert die Milch gewärmt, ihm die Flasche gegeben, weil meine Wirtin, von nächtlicher Arbeit erschöpft, morgens lange schlief und ich es nicht über mich brachte, sie zu wecken. Ihr Mann ist einer von denen, die der Welt gegenüber als Künstler gelten, als einer von jenen, die an den Umständen scheitern: er klagt stundenlang über seine verlorene Jugend, die ihm angeblich der Krieg gestohlen hat. „Wir wurden betrogen", sagt er, „betrogen um die besten Jahre, die es im Leben eines Menschen gibt, die Jahre zwischen zwanzig und achtundzwanzig", und diese verlorene Jugend dient ihm als Alibi für allerlei Unsinn, den seine Frau ihm nicht nur verzeiht, sondern sogar ermöglicht: er malt, entwirft Häuser, komponiert ... Nichts davon — so scheint mir jedenfalls — macht er richtig, obwohl es ihm hin und wieder Geld einbringt. In den Räumen der Wohnung hängen seine Entwürfe herum: „Haus für einen Schriftsteller auf den Taunushöhen" — „Haus für einen Bildhauer", und auf allen diesen Entwürfen wimmelt es von Bäumen, wie Architekten sie malen, und ich hasse Architektenbäume, weil ich sie seit fünf Jahren täglich sehe. Ich schlucke seine Ratschläge, wie man Arzneien schluckt, die einem ein befreundeter Arzt verschreibt. „In dieser Stadt", sagt er etwa, „in dieser Stadt habe ich, allein hier lebend wie Sie und in Ihrem Alter, Gefahren bestehen müssen, die ich Ihnen nicht gönne", und ich weiß dann, dass er die Hurenviertel meint. Der Mann meiner Wirtin ist ganz liebenswürdig, aber — so scheint mir — ein Trottel, dessen einzige Fähigkeit darin besteht, sich die Liebe seiner Frau zu erhalten, der erreizende Kinder zeugte. Meine Wirtin ist groß und blond, und ich war eine Zeitlang so heftig in sie verliebt, dass ich heimlich ihre Schürze, ihre Handschuhe küsste und vor Eifersucht auf diesen Trottel, ihren Mann, nicht schlafen konnte. Aber sie liebt ihn, und es scheint, dass ein Mann nicht tüchtig, nicht erfolgreich zu sein braucht, um von einer solchen Frau, die ich immer noch bewundere, geliebt zu werden. Oft pumpt er mich um wenige Mark an, um in eines dieser Künstlerlokale zu gehen, wo er sich mit wildem Schlips, ungekämmtem Haar wichtig tut, indem er eine ganze Flasche Schnaps leert, und ich gebe ihm das Geld, weil es mir unmöglich ist, seine Frau zu kränken, indem ich ihn demütige. Und er weiß, warum ich ihm das Geld gebe, denn er ist mit jener Schlauheit ausgestattet, ohne die Faulpelze verhungern würden. Er ist einer jener Faulpelze, die sich den Anschein zu geben verstehen, große Improvisatoren zu sein, aber ich glaube nicht einmal, dass er wirklich zu improvisieren versteht.

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