Jeden Tag musste ich zwei Landschaftsskizzen anfertigen und sie dem Vater vorlegen. Er war in seiner Beurteilung sehr streng und hat mich auf meine Fehler aufmerksam gemacht. Auf diese Weise konnte ich meine Auffassungsgabe wie auch meine technischen Fähigkeiten verbessern. Dank seiner trotz mancher Strenge stets wohlwollenden Bemühungen konnte ich eine solide Basis für mein Schaffen gewinnen. Auf der Datscha sind auch meine ersten Figurenkompositionen, ein Jahreszeitenzyklus, entstanden. Dieser besteht aus den drei Ölgemälden Frühling im Dorf, Später Herbst und Sonnentag. Inzwischen ist viel Zeit vergangen und manches hat sich in meinem Leben verändert. Ich fahre jedoch heute noch gerne zur geliebten Datscha an der Wolgaquelle, wenn es meine Zeit erlaubt.“
Seite 6.
Mit sechzehn Jahren unternahm Andrej Kasakov seine erste Reise ins winterliche Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Sein Ziel war es, in den berühmten Museen dieser Stadt die Werke großer Meister wie Leonardo da Vinci, Tizian, Rembrandt oder auch der Impressionisten zu studieren. Beim Spaziergang zur Eremitage beobachtete er einige Buben beim Eishockeyspiel auf dem zugefrorenen Mojka-Kanal. Er war fasziniert vom Gegensatz zwischen der freudigen Bewegung der Eisläufer und der klirrenden Kälte, die zu jener Zeit in der Stadt herrschte. Nach einer vor Ort angefertigten Skizze entstand später in Moskau ein Ölgemälde, das dem jungen Maler eine sehr gute Beurteilung seitens seiner Lehrer einbrachte.
Seite 11.
STUDIENJAHRE 1979–1985 AN DER MOSKAUER SURIKOV-AKADEMIE.
Aufgrund seiner guten Abschlusszeugnisse am Kunstgymnasium konnte Andrej Kasakov zur Aufnahmsprüfung an der Moskauer W.I.Surikov-Akademie der Bildenden Künste antreten. Obwohl die Anforderungen sehr hoch waren, gelang es ihm mühelos, diese Prüfung erfolgreich abzulegen. Mit dem Eintritt in die Akademie begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt, der von intensivem Schaffen geprägt sein sollte. In kleinere Gruppen unterteilt, konnten die Kunststudenten ihre Probleme und Aufgabenstellungen mit den Professoren offen diskutieren. Auf diese Weise eröffneten sich für den angehenden Maler völlig neue Perspektiven. An eine Episode aus seiner Hochschulzeit erinnert er sich heute noch.
„Einmal wurde uns Studenten vom Professor eine ganz besondere Aufgabe gestellt. Wir sollten ein Aktinterieur malen. Das bedeutete, dass wir das vor uns befindliche Aktmodell nicht alleine wiederzugeben hatten, sondern dieses in eine vorgegebene Raumsituation integrieren mussten. Als ich voll Eifer dabei war, mich an der Staffelei mit dieser malerischen Übung auseinander zu setzen, kam mein Professor vorbei. Er schaute auf die vor mir befindliche Leinwand mit dem beinahe fertigen Werk und sagte einen einzigen Satz: Mein Lieber, du hast die falsche Tramway genommen und fährst jetzt in die andere Richtung! Nach dreistündigem Grübeln bin ich schließlich darauf gekommen, was er mit diesen Worten gemeint hatte. Offenbar war meine Arbeit völlig verkehrt angelegt gewesen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als das fast fertige Ölbild komplett zu übermalen und mit dem Werk von neuem zu beginnen. Das Gute daran war, dass sich schlussendlich doch der gewünschte Erfolg eingestellt hat.“
Seite 13.
Bei der Arbeit im Aktsaal der Moskauer Akademie wurden die Studenten von ihrem Professor immer wieder vor besonders schwierige Aufgaben gestellt. Eine davon bestand darin, ein Aktmodell in möglichst kurzer Zeit auf sehr großen Papierformaten festzuhalten. Andrej Kasakov ist diese Situation in lebhafter Erinnerung: „Da unser Aktmodell nur drei Stunden lang anwesend sein konnte, habe ich wie wild gezeichnet, um gegen die wie im Flug vergehende Zeit zu arbeiten. Bei einer Blattgröße von 1,20 x 1 Meter war es unbedingt erforderlich, die menschliche Figur in ihrer jeweiligen Haltung schnell und präzise zu erfassen und ohne zu Zögern auf das Papier zu bringen. So lernten wir, beim Aktzeichnen größere Formate auf rasche und dennoch genaue Weise zu bewältigen.“
Seite 18.
SOMMERLICHE PLEIN-AIR-MALEREI AUF DER KRIM.
In den Sommermonaten der Jahre 1982 und 1983 organisierte die Moskauer Kunstakademie für ihre Studenten ausgedehnte Studienreisen ans Schwarze Meer. Voll Begeisterung griff Andrej Kasakov die verlockende Möglichkeit auf, die schöne Jahreszeit außerhalb der Großstadt zu verbringen. Auf der Krim angekommen, ließ er sich in Kertsch nieder. In einem netten Haus mietete er ein Zimmer und schlug im Hof dieses Gebäudes wie auch in einem Teil der Garage sein sommerliches Freiluftatelier auf. Sehr bald stellte er voll Überraschung fest, welch große Unterschiede zwischen dem Klima und den Lichtverhältnissen des Südens und jenen des ewig „grauen“ Moskau herrschten. Hier auf der Krim sah und erlebte er erstmals blaues Meer, rote Dächer, weiße Häuser und grüne Weintrauben. All diese farbigen Eindrücke inspirierten den jungen Maler zu Werken von völlig neuer Ausdrucksweise.