Wenn man sich am Abend endg"ultig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock angezogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgem"ass schlafen geht, wenn draussen ein unfreundliches Wetter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverst"andlich macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch stillgehalten hat, dass das Weggehen allgemeines Erstaunen hervorrufen m"usste, wenn nun auch schon das Treppenhaus dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn man nun trotz alledem in einem pl"otzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt, sofort strassenm"assig angezogen erscheint, weggehen zu m"ussen erkl"art, es nach kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit der man die Wohnungst"ur zuschl"agt, mehr oder weniger "Arger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der Gasse wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon unerwartete Freiheit, die man ihnen verschafft hat, mit besonderer Beweglichkeit beantworten, wenn man durch diesen einen Entschluss alle Entschlussf"ahigkeit in sich gesammelt f"uhlt, wenn man mit gr"osserer als der gew"ohnlichen Bedeutung erkennt, dass man ja mehr Kraft als Bed"urfnis hat, die schnellste Ver"anderung leicht zu bewirken und zu ertragen, und wenn man so die langen Gassen hinl"auft, – dann ist man f"ur diesen Abend g"anzlich aus seiner Familie ausgetreten, die ins Wesenlose abschwenkt, w"ahrend man selbst, ganz fest, schwarz vor Umrissenheit, hinten die Schenkel schlagend, sich zu seiner wahren Gestalt erhebt.
Verst"arkt wird alles noch, wenn man zu dieser sp"aten Abendzeit einen Freund aufsucht, um nachzusehen, wie es ihm geht.
4. ENTSCHL"USSE
Aus einem elenden Zustand sich zu erheben, muss selbst mit gewollter Energie leicht sein. Ich reisse mich vom Sessel los, umlaufe den Tisch, mache Kopf und Hals beweglich, bringe Feuer in die Augen, spanne die Muskeln um sie herum. Arbeite jedem Gef"uhl entgegen, begr"usse A. st"urmisch, wenn er jetzt kommen wird, dulde B. freundlich in meinem Zimmer, ziehe bei C. alles, was gesagt wird, trotz Schmerz und M"uhe mit langen Z"ugen in mich hinein.
Aber selbst wenn es so geht, wird mit jedem Fehler, der nicht ausbleiben kann, das Ganze, das Leichte und das Schwere, stocken, und ich werde mich im Kreise zur"uckdrehen m"ussen.
Deshalb bleibt doch der beste Rat, alles hinzunehmen, als schwere Masse sich verhalten und f"uhle man sich selbst fortgeblasen, keinen unn"otigen Schritt sich ablocken lassen, den anderen mit Tierblick anschaun, keine Reue f"uhlen, kurz, das, was vom Leben als Gespenst noch "ubrig ist, mit eigener Hand niederdr"ucken, d. h., die letzte grabm"assige Ruhe noch vermehren und nichts ausser ihr mehr bestehen lassen.
Eine charakteristische Bewegung eines solchen Zustandes ist das Hinfahren des kleinen Fingers "uber die Augenbrauen.
5. DER AUSFLUG INS GEBIRGE
»Ich weiss nicht«, rief ich ohne Klang, »ich weiss ja nicht. Wenn niemand kommt, dann kommt eben niemand. Ich habe niemandem etwas B"oses getan, niemand hat mir etwas B"oses getan, niemand aber will mir helfen. Lauter niemand. Aber so ist es doch nicht. Nur dass mir niemand hilft –, sonst w"are lauter niemand h"ubsch. Ich w"urde ganz gern – warum denn nicht – einen Ausflug mit einer Gesellschaft von lauter Niemand machen. Nat"urlich ins Gebirge, wohin denn sonst? Wie sich diese Niemand aneinander dr"angen, diese vielen quer gestreckten und eingeh"angten Arme, diese vielen F"usse, durch winzige Schritte getrennt! Versteht sich, dass alle in Frack sind. Wir gehen so lala, der Wind f"ahrt durch die L"ucken, die wir und unsere Gliedmassen offen lassen. Die H"alse werden im Gebirge frei! Es ist ein Wunder, dass wir nicht singen.«
6. DAS UNGL"UCK DES JUNGGESELLEN
Es scheint so arg, Junggeselle zu bleiben, als alter Mann unter schwerer Wahrung der W"urde um Aufnahme zu bitten, wenn man einen Abend mit Menschen verbringen will, krank zu sein und aus dem Winkel seines Bettes wochenlang das leere Zimmer anzusehn, immer vor dem Haustor Abschied zu nehmen, niemals neben seiner Frau sich die Treppe hinaufzudr"angen, in seinem Zimmer nur Seitent"uren zu haben, die in fremde Wohnungen f"uhren, sein Nachtmahl in einer Hand nach Hause zu tragen, fremde Kinder anstaunen zu m"ussen und nicht immerfort wiederholen zu d"urfen: »Ich habe keine«, sich im Aussehn und Benehmen nach ein oder zwei Junggesellen der Jugenderinnerungen auszubilden.
So wird es sein, nur dass man auch in Wirklichkeit heute und sp"ater selbst dastehen wird, mit einem K"orper und einem wirklichen Kopf, also auch einer Stirn, um mit der Hand an sie zu schlagen.
7. DER KAUFMANN