Politisch im besonderen wirksam ist das Bild, das sich die englischen Historiker von Preußen machen. Bis etwa 1910 beherrschen die für ihre Zeit sehr liberalen, effizienten und auf die Rechte ihrer Bürger achtende Preußenkönige, das tüchtige Militär und der Patriotismus von Stein und Hardenberg die Szene. Danach verkehrt sich das bis dahin positive Preußenbild in das Image eines Preußen als Staat der Unfreiheit, der Obrigkeitshörigkeit, des Militarismus und der Gewalt.
Dies Preußen wird oft pars pro toto mit ganz Deutschland gleichgesetzt und stellt als solches in den Augen vieler britischer Historiker den Gegensatz zum positiv gesehenen liberal-parlamentarischen England dar. Der „Teutone“, vor Jahrzehnten noch Ahnherr der Deutschen und der Briten, wird im Ersten Weltkrieg sogar zum Schimpfwort für die Deutschen, und das Preußentum zur
„Bedrohung der Zivilisation20.
Nicht jeder englische Historiker sieht das neue Deutsche Reich jedoch in solchen düsteren Farben. John Adam Cramb bewundert durchaus die Kraft, den „Herois-mus“ und die Disziplin der Deutschen. Doch was er 1914 in seinem Werk „Germany and England“ schreibt, klingt in anderer Weise düster.
Das ist ein Menetekel.
Im Krieg verschlimmert sich das Deutschlandbild noch einmal ganz erheblich.
Der Historiker John Headlam-Morley „weist“ in Schriften zwischen 1915 und 1918 anhand der Geschichte nach, daß
Hier wird an den Universitäten offensichtlich nachvollzogen, was in der politischen Elite Englands schon seit Jahren durch die Köpfe geistert. Es ist die Saat für den späteren Alleinschuldvorwurf von Versailles 1919 und den Weltherr-schaftsvorwurf von Nürnberg 1945.
In England krallt man sich inzwischen längst an einem „Feindbild Deutschland“ fest. Eine Vielzahl hinterlassener Schriften gibt davon Zeugnis. So schreibt der englische Botschafter Sir Francis Bertie am 11. Juni 1904 an einen Freund:
21 Die Westgoten unter Alarich greifen 401 n.Chr. die Römer in Oberitalien an und werden geschlagen.
22 Messerschmidt, Seite 84
23 Messerschmidt, Seite 91
29
Der Unterstaatssekretär im Londoner Außenministerium Sir Charles Hardinge schreibt in einer Denkschrift vom 30. Oktober 1906:
Auch im Ausland wird die wachsende Feindschaft der Briten gegenüber ihren deutschen Vettern registriert. Der amerikanische Generalkonsul in München Gaffney notiert in Rückschau auf seine Aufenthalte in Großbritannien vor dem Ersten Weltkrieg: