Die Briten wissen, daß Hitler 1939 vor der Wahl zwischen Verzicht, Verhandlungslösung oder Krieg steht. Sie wissen auch, daß er angesichts seiner Verantwortung für die „abgetrennten“ Deutschen, angesichts der immer prekärer wer-denden Lage der deutschen Minderheit in Polen und in Anbetracht der drängenden Forderung der Danziger nach Anschluß an ihr Heimatland so gut wie nicht verzichten kann. Das Deutsche Reich steht in dieser Hinsicht unter dem gleichen moralischen Druck wie die Natostaaten 1999 angesichts der Lage der bedrängten Kosovaren in Jugoslawien. Die Briten können sicher sein, daß Hitler unter diesen Verhältnissen nicht zum Rückzug bläst, und daß er nicht verzichten wird.
So verstellen sie den Verhandlungsweg, den sie noch bei den Polen hätten öffnen können. Dabei spielen sie um fünf vor zwölf so lang auf Zeit, bis Hitler handelt und den Krieg eröffnet. England hat – zusammen mit Frankreich – das deutsch-polnische Problem geschaffen und 1939 verhindert, daß es ohne Krieg bereinigt wird. Die britische Regierung hat es dabei mit Geschick verstanden, die Rolle des Vermittlers vorzutäuschen und allseits Frieden anzumahnen. So kann sie „mit sauberer Weste“ in den Krieg eintreten, ehe Deutschlands Flotte weiter anwächst, ehe das Deutsche Reich zur stärksten Macht Europas wird, und ehe die früheren 519
deutschen Kolonien auf die Tagesordnung kommen. Am 3. September 1939 er-klärt Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg.
Nach dem Ersten Weltkrieg ist 1919 in der TIMES zu lesen:
Nach dem Zweiten Weltkrieg schreibt die SUNDAY CORRESPONDENT in ih-
rer Ausgabe vom 16. September 1989:
Frankreichs Beitrag zum Kriegsausbruch
Seit den Tagen König Ludwig XIII. und seines ersten Ministers Kardinal Richelieu – beginnend mit der Eroberung Lothringens seit dem Jahre 1633 – ist es das Ziel aller französischen Regierungen gewesen, die Ostgrenze Frankreichs zum Rhein hin vorzuschieben. Und dieser Drang nach Osten ist mit der Einverleibung Lothringens und des Elsaß beileibe nicht erfüllt. Als Deutschland sich die zwei Provinzen 1871 für ein knappes halbes Jahrhundert zurückerobert, bleibt den Franzosen nicht nur der Wille, sich beide Landesteile bei Gelegenheit zurückzuholen. Der Wunsch nach weiteren deutschen Landesteilen links des Rheins ist damit nicht befriedigt. 1917 – noch im Kriege – läßt sich die französische Regierung in einem Geheimvertrag von den Russen das deutsche Saargebiet zusprechen. In den Versailler Verhandlungen versucht Frankreich dann, das Saarland und Luxemburg zu annektieren und das deutsche Land beiderseits des Rheins als einen eigenen „Rheinstaat“ vom Deutschen Reich zu trennen. Das alles scheitert nur am Einspruch anderer Siegermächte.
Auch nach dem „Friedensschluß“ von Versailles schließt Frankreich keinen echten Frieden mit dem Nachbarn Deutschland. Der sogenannte Friede ächtet Deutschland, läßt es ungewöhnlich hart zur Ader und verwehrt ihm seine Selbstschutzfähigkeit auf Dauer. Solange das geschlagene Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg Frankreichs Hand und Hilfe hätte brauchen können, bleiben die Franzosen unversöhnlich.
Nach dem ersten Kriege schaffen die Franzosen zusammen mit den anderen Siegern die Probleme, an denen sich ein nächster Krieg entzünden muß. Sie verlangen das Selbstbestimmungsrecht für Minderheiten und zerteilen dazu die besiegten Staaten. Dann erzeugen sie sofort und gegen alle selbstgesetzten Regeln neue Minderheiten, die sie gegen deren Willen neugeschaffenen Staaten einverleiben.
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