Die Vorstellung, im Raumschiff der Phaetonen könnten sich noch Nahrungsmittel befinden, stieß auf entschiedenen Widerspruch. Ganz abgesehen davon, daß es gefährlich war, unbekannte Dinge zu essen, mußten auch die Phaetonen in der langen Zeit, die sie auf der Venus zubrachten, ihre eigenen Vorräte aufgebraucht und gelernt haben, sich auf der Venus selbst Nahrung zu beschaffen. Außerdem war kaum anzunehmen, daß sich organische Stoffe, wie gut sie auch konserviert sein mochten, Jahrtausende halten könnten.
Eile tat not.
Die astronomischen Observatorien aller Länder vereinbarten, den „Phaetonen“ ununterbrochen zu beobachten. Wie einen Stafettenstab reichten sie ihn einander weiter. Sobald am Horizont des einen Observatoriums die Sonne aufging, übernahm das nächste, weiter westlich gelegene die Beobachtung. Das Kosmische Institut in Moskau stand mit allen Observatorien der Welt in Funkverbindung.
Das ringförmige Raumschiff konnte nicht verlorengehen. Die geringste Änderung seiner Flugrichtung oder — geschwindigkeit würde man sofort der „SSSR-KS 3“ mitteilen, und Belopolsjki würde dementsprechend den Kurs ändern.
Natürlich fiel bald dieses, bald jenes Observatorium wegen Bewölkung aus, aber stets konnte ein anderes dafür einspringen, über dem der Himmel klar war. Es gab genug Observatorien auf der Erde.
Die ganze Welt lebte nur dem einen Wunsch, daß der „Phaetone“ seine Geschwindigkeit nicht erhöhte …
Die „SSSR-KS 3“ beschrieb einen großen Bogen. Um Zeit zu sparen, hatte Belopolski beschlossen, bei unverminderter Geschwindigkeit und mit kleinstmöglichem Radius zu wenden. Er wußte, daß jede verlorene Minute verhängnisvoll sein konnte.
Wenn Melnikow und Wtorow wirklich noch am Leben waren, brachte nur rasche Hilfe Rettung.
Belopolski litt schmerzlich unter dem Bewußtsein, einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen zu haben. Weshalb hatte er verboten, über die Vorfälle auf der Venus zur Erde zu berichten? Früher oder später hätte es ja doch geschehen müssen.
Es wäre unverantwortlich gewesen, das Schreckliche bis zur Rückkehr zu verheimlichen. Was war mit ihm passiert? Was für komplizierte und schwer erklärbare Vorgänge hatten sich in seiner sonst stets so ausgeglichenen Psyche abgespielt? Durch seine Schuld waren zwei, und wenn man die Zeit für den Rückflug roch hinzurechnete, vier Tage verlorengegangen. Um wieviel einfacher wäre es gewesen, bereits zwei Tage zuvor umzukehren. Um wieviel größer wären da die Aussichten auf Rettung der beiden Genossen gewesen, deren mutmaßlicher Tod ihn aus dem Gleichgewicht gebracht und veranlaßt hatte, jenen verbrecherischen (jawohl, verbrecherischen, dachte Belopolski) Befehl zu geben.
Hätte sich Paitschadse nicht kurzentschlossen über die Anordnung des Kommandanten hinweggesetzt und Toporkow befohlen, mit der Erde Verbindung aufzunehmen — was wäre daraus geworden? Bei diesem Gedanken überlief es Belopolski eiskalt. Man hätte ihn für Wtorows und Melnikows Tod verantwortlich gemacht, er ganz allein wäre an ihrem Ende schuld gewesen. Aber auch jetzt… Wer weiß, vielleicht war es schon zu spät, vielleicht war schon zuviel Zeit vergeudet, waren die, die man hätte retten können, bereits umgekommen — durch sein Versagen.
Belopolski machte sich schreckliche Vorwürfe, doch keiner von der Besatzung bemerkte es. Sie sahen den gewohnten Belopolski vor sich: den „eisernen Kapitän“, den ruhigen, unbeugsamen, entschlossenen und fordernden Vorgesetzten. Die Nervenanspannung beim Start von der Venus schien bei ihm keine Spuren hinterlassen zu haben.
Aber so schien es nur. Innerlich war Belopolski nicht mehr der alte, war er ein gebrochener Mann. Für immer, das wußte er genau. Es kostete ihn große Anstrengung, sich wie gewohnt zu geben. Nur das Bewußtsein, daß außer ihm niemand das Raumschiff steuern konnte, hielt ihn aufrecht. Er würde das Steuerpult für immer verlassen, sobald die „SSSR-KS 3“ wieder auf dem Kosmodrom von Kamowsk gelandet war. Dieser Flug war sein letzter. Nie mehr würde er ein Raumschiff durchs Weltall lenken. Paitschadses Befürchtungen jedoch waren grundlos — an Selbstmord dachte Belopolski keinen einzigen Augenblick. Wie sehr ihn das Ganze auch erschüttert hatte, Kleinmut kannte er nicht. Er war nur unendlich müde.
Doch jetzt galt es, an andere Dinge zu denken. Kamows Anweisungen mußten befolgt werden, und mit gewohnter Energie ging Belopolski an ihre Ausführung.
Paitschadse versuchte vergeblich, das ringförmige Raumschiff zu entdecken. Der Refraktor im Observatorium der „SSSR-KS 3“ war zu schwach, als daß man mit seiner Hilfe bei einer derartigen Entfernung ein so kleines Objekt hätte ausmachen können.
In drei Tagen hatten sie sich über zehn Millionen Kilometer von der Venus entfernt.