Am schlimmsten für die Besatzung war die Ungewißheit der Erfolgsaussichten. Alles baute auf der Voraussetzung auf, daß der „Phaetone“ noch mindestens zwei Tage mit gleichbleibender Geschwindigkeit auf die Venus zuflog. Er brauchte aber nur einen anderen Kurs einzuschlagen — und das war ja wiederholt geschehen, seit Subbotin ihn entdeckt hatte —, und schon müßten auch sie ihren Kurs ändern, ohne die geringste Garantie übrigens, daß der „Phaetone“ nicht erneut die Richtung wechselte.
Die „SSSR-KS 3“ konnte derartige Manöver nicht endlos ausführen. Außerdem war die Geschwindigkeit des verfolgten Raumschiffes sehr variabel. Wer garantierte, daß fünfzig Kilometer in der Sekunde seine „Höchstgeschwindigkeit“ war? Womöglich flog es noch schneller, dann war nicht mehr daran zu denken, es einzuholen.
Voller Unruhe sah die Besatzung jeder neuen Nachricht von der Erde entgegen. Doch bisher hatte es noch keine bedrohlichen Anzeichen gegeben.
Der Abend des elften August kam heran (Abend war es natürlich nur auf der Erde, in der UdSSR, nicht aber im Raumschiff). Voller Ungeduld warteten die Männer, daß es acht Uhr wurde. Je näher die ersehnte Stunde rückte, desto unerträglicher dünkte ihnen die Belastung. Der bleischwer gewordene Körper drohte den Dienst zu versagen.
Aufhören! hätte jeder am liebsten geschrien. Ist es nicht ganz gleich, ob wir eine Minute früher oder später eintreffen? Aber sie wußten ganz genau, daß Belopolski das Triebwerk keine Sekunde früher abstellen würde.
Ein kaum merkliches Zittern ging durch das Raumschiff. Alle atmeten erleichtert auf. Der Körper empfand die Schwerelosigkeit als eine Wohltat. Wie schön war es doch, das eigene Gewicht nicht zu spüren!
Vor ihnen lagen vierzig Stunden ruhigen Geradeausflugs. Die Geschwindigkeitssteigerung auf fünfzig Kilometer in der Sekunde würde nur mit einer Beschleunigung von einem Meter pro Sekundenquadrat erfolgen. Das verlieh ihnen ein Zehntel der iidischen Schwere. Kleinigkeit!
„Mitteilung von der Erde“, ertönte Knjasews Stimme. Die in jedem Raum angebrachten Lautsprecher trugen seine Worte durchs ganze Schiff. „Dringende Meldung!“ Niemand rührte sich von der Stelle. Nur Toporkow begab sich eilig zum Funkraum, um Knjasew abzulösen. Das hatte er jedesmal getan, wenn sich die Erde meldete, und damit oft seine Erholungspause geopfert.
Dringende Meldung! Da mußte etwas passiert sein! Alle warteten in gedrückter Stimmung.
Dann leuchteten die Bildschirme auf und zeigten Belopolskis finsteres Gesicht.
„Genossen!“ sagte er. „Das Raumschiff der Phaetonen macht eine Wendung. Im Augenblick ist noch nicht abzusehen, welche Richtung es einschlagen wird. Das wird sich in zwei, drei Stunden zeigen. Ruht euch aus! Eine weitere Richtungsänderung auch unseres Schiffs wird unvermeidlich sein.“ Und wieder arbeitete das Ablenktriebwerk. Wieder quälte erhöhte Schwerkraft die Männer. Wieder kämpften Toporkow und Knjasew, einander ablösend, gegen die erdrückende Last des eigenen Gewichts. Und wieder war keine Gewähr gegeben, daß sich ihre Leiden wirklich auszahlten.
Nachdem die Kurve ausgeführt war und das Raumschiff wieder geradeaus flog, vergingen keine vier Stunden, da änderte der „Phaetone“, als wolle er sich über sie lustig machen, erneut den Kurs.
„Es besteht kein Zweifel mehr“, funkte Kamow. „Das Raumschiff wird von menschlichem Willen gelenkt. Wenn ein Autopilot steuerte, wäre diese Kurve sinnlos. Melnikow und Wtorow sind noch am Leben. Vorwärts, Genossen! Das Ziel ist nahe!“ Hartnäckig ging die Verfolgung weiter!
Die Kraft der Vorstellung
Melnikow war überzeugt, daß die Beschleunigung des Raumschiffs nicht allzu lange anhalten würde. Das widerspräche der technischen Zweckmäßigkeit, und die Technik der Phaetonen war, nach allem zu urteilen, was sie bisher davon gesehen hatten, überaus „vernünftig“. Doch daß sie von so kurzer Dauer sein würde, hatte er nicht erwartet.
Als er zu Beginn des Starts vom Steg gefallen war, hatte er nicht versäumt, auf die Uhr zu sehen. Nun, da er an der plötzlich einsetzenden Schwerelosigkeit merkte, daß die Beschleunigung aufgehört hatte und das Raumschiff, dem Gesetz der Trägheit gehorchend, mit konstanter Geschwindigkeit weiterflog, stellte er fest, daß etwa dreizehn Minuten vergangen waren.
Jenseits der unsichtbar gewordenen Wand dehnte sich die vertraute Sternenwelt. Das Schiff hatte offensichtlich die Venusatmosphäre schon ganz verlassen und flog durch den interplanetaren Raum. In welcher Richtung? War die Steuerautomatik auf einen bestimmten Kurs eingestellt oder nicht? Das würde sich erst nach einigen Stunden aufmerksamer Beobachtung der Venus erkennen lassen. Eine unvollkommene Methode, doch eine andere stand ihnen nicht zur Verfügung. Kein einziges Navigationsinstrument war vorhanden.