Melnikows Vorhersage hatte sich bewahrheitet. Belopolski untersagte kategorisch, daß die Taucheranzüge benutzt würden.
Er ließ sie sogar wieder aus dem Boot ausladen und im Lagerraum verschließen, weil er Grund hatte zu befürchten, die Gelehrten würden im Eifer ihres Forscherdranges die Gefahr vergessen.
Der überraschende Tierreichtum im Ozean der Venus hatte den ganzen, von Balandin und Korzewski auf der Erde sorgfältig aufgestellten Arbeitsplan zunichte gemacht. Darauf war die Expedition nicht vorbereitet. Ihr fehlten die Mittel, Muster der Fauna und Flora des Meeresgrundes einzufangen. Das Unterseeboot war nicht mit Spezialfanggeräten ausgerüstet. Die leichten und bequemen Taucheranzüge, die vor allem für größte Bewegungsfreiheit gearbeitet waren, boten keinen Schutz gegen die Angriffe der gefährlichen Raubtiere, von deren Existenz man ebensowenig etwas geahnt hatte wie von der anderer hochorganisierter Organismen.
„Sie haben ja recht!“ sagte Balandin. „Aber wir sind da in eine dumme Lage geraten.“ „Und daran sind zum nicht geringen Teil Sie selbst schuld“, erklärte Belopolski. „Sie haben die Vorbereitungen für die Arbeit in der Tiefsee geleitet. Ich entsinne mich genau, daß die Konstrukteure vorschlugen, das Boot mit mechanischen Fanggeräten auszurüsten, aber Sie sagten, Sie brauchten keine. Wer — wenn nicht Sie — hat denn behauptet, daß es im Venusmeer kein organisches Leben gäbe? Es ist also kein Wunder, wenn beschlossen wurde, das Boot nicht mit einer überflüssigen Anlage zu belasten.“ „Ich habe mich auf die Taucheranzüge verlassen. Ich konnte nicht voraussehen, daß Sie uns verbieten würden, sie anzuziehen.“ Die Umstehenden lachten unwillkürlich.
„Was wollen Sie eigentlich?“ Belopolski wurde wütend. „Die Erlaubnis, einem Haifisch geradewegs in den Rachen zu steigen?“ So blieb Balandin und Korzewski infolge der Fehlentscheidung, die sie auf der Erde getroffen hatten, nichts anderes übrig, als sich damit zu begnügen, die Tiefsee der Venus durchs Schauglas des Unterseebootes zu beobachten.
Saizew hielt sein Versprechen und fuhr Balandin und Korzewski schon am Tage nach ihrer Rückkehr von den Stromschnellen wieder zu jener Stelle, an der sie den rätselhaften roten Schildkröten begegnet waren.
Aber diese ließen sich zum großen Kummer der Wissenschaftler nicht mehr blicken. Ungeheure Mengen von Schildkröten lagen und krochen auf dem Meeresgrund umher, nur ellipsoide Panzer waren nirgends zu entdecken. Sie waren spurlos verschwunden.
Diese besonderen Schildkröten fanden die Männer auch am zweiten und dritten Tage nicht.
„Wo sind die Tiere nur geblieben?“ fragte Balandin verständnislos. „Es waren doch mehrere von der Sorte zu sehen. Warum haben sie sich verzogen, während die anderen geblieben sind?“ „Wirklich schade!“ klagte Korzewski. „Ihren Schilderungen nach sind es ganz besondere Lebewesen.“ „Also — wieder ein Rätsel.“ Saizew seufzte.
Der Tag ging zur Neige. Am westlichen Horizont verglomm die unsichtbare Sonne. Die Flut stieg von Stunde zu Stunde.
Langsam schien die Koralleninsel in den Wellen zu versinken.
Der Laufsteg mußte an der unteren Luftschleuse neu installiert werden, dann wurde er ganz überflüssig, und schließlich brauchte man schon eine Treppe, um an Land zu gelangen. Am 21. Juli war die Insel vollends vom Meer verschlungen. Kaum ein Drittel der Korallenstämme ragte noch aus dem Wasser.
Das Motorboot konnte mühelos zwischen ihnen hin und her fahren.
Der Wind kam immer häufiger aus dem Osten. Von den Felsenklippen am Ausgang der Bucht nicht mehr geschützt, schlingerte das Raumschiff in der Dünung. Schließlich mußten die Fahrten mit dem Unterseeboot eingestellt werden. Es wurde gefährlich, von der Luftschleuse in das Boot hinüberzusteigen.
Außerdem nahm der Dunst über dem erhitzten Wasser so zu, daß das Boot, sobald es sich einige Meter vom Schiff entfernte, nicht mehr zu erkennen war.
Beim Abendessen teilte Belopolski mit, daß sie am nächsten Tag zum Kontinent fliegen würden.
„Um welche Zeit?“ fragte Toporkow hastig.
„Um zehn.“ „Können wir den Termin nicht auf halb eins verschieben?“ Konstantin Jewgenjewitsch zuckte verständnislos mit den Schultern. „Wir können. Aber warum? Bleibt es sich nicht gleich, ob wir um zehn oder um zwölf starten?“ Toporkow drehte nervös die Gabel in seiner Hand.
„Ich finde, es würde unserem Schiff, wenn es sowieso aufsteigt, nichts ausmachen, eine Weile über den Wolken zu fliegen.“ „Ich verstehe — Sie wollen einen Funkspruch an die Erde schicken. Die Wolken würden uns nicht daran hindern, wohl aber die ionisierte Schicht, die sich Ihren eigenen Berechnungen zufolge in einer Höhe von zweihundertfünfundvierzig Kilometern befindet.“ Alle am Tisch hatten aufgehört zu essen. Gespannt verfolgten sie die Unterhaltung. In den Blicken, die sich auf den Kommandanten richteten, waren Erregung, Hoffnung und inständiges Bitten zu lesen. Nur Melnikow hob den Kopf nicht. Er kannte Belopolski besser als die anderen.
„Aber könnten wir nicht höher steigen?“ fragte Toporkow.