Einen Moment lang hantierte der junge Mann mit den Handschellen, ehe er dahintergekommen war, wie man sie sich um die Handgelenke legte. »Es tut mir leid«, sagte er, während die Worte jäh aus ihm heraussprudelten. »Ich weiß, dass Sie mich verstehen. Das haben Sie in der Fernsehshow gesagt, als Sie den Leuten erklärt haben, dass ich kein Monster bin. Aber selbst
»Später«, sagte Pendergast ruhig. Er legte die Plane fester um Coldmoon, während das leise Geräusch eines herannahenden Hubschraubers von hinter den Bäumen zu ihnen drang.
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Pendergast blickte dem Rettungshubschrauber nach, der in die Luft über Paradise Landing aufstieg und seinen komatösen Partner ins University of Miami Hospital brachte. Der Hubschrauber war abgeflogen, aber der Rest der Kavallerie würde schon bald hier eintreffen. Stille senkte sich über die marode Bootsanlage, während er Brokenhearts zum Mustang abführte und auf den Rücksitz setzte. Der junge Mann hielt inne und fragte, ob er einen Gegenstand aus seinem Fahrzeug holen dürfe, das im Gras neben der Sandpiste versteckt sei. Der Gegenstand erwies sich als ein Gedichtband. Brokenhearts nahm auf dem Rücksitz Platz, murmelte immer wieder etwas bei sich, schaukelte hin und her, hielt dabei das Buch in den gefesselten Händen. Pendergast erkannte, dass es sich bei dem Gemurmel um Verse handelte.
Pendergast setzte sich ans Steuer, schaltete die LED-Notfallleuchten am Armaturenbrett ein und startete den Shelby unter lautem Röhren. Er setzte den Wagen zurück, dass die lose Erde nur so aufspritzte, beschleunigte die unbefestigte Straße hinunter und stellte die Sirene an. Als er den asphaltierten Teil erreichte, gab er Gas und pushte den Shelby auf über einhundertsechzig Stundenkilometer. Der Wagen schoss die Straße entlang, Wände aus Vegetation huschten wie in einem grünen Schleier vorbei.
In der Ferne kamen ihm, wie Pendergast sah, Autos mit Blaulicht entgegen. Die Sondereinsatzgruppe der Mordkommission der Polizei Miami, unterwegs nach Canepatch, um Beweise sicherzustellen und zu bergen, was immer vom Körper von Commander Grove übrig geblieben war. Pendergast meldete sich bei ihnen über Funk, als die Fahrzeuge vorbeirasten; Polizeiwagen, Transporter der Kriminaltechniker flogen unter Blaulicht und mit Sirenengeheul an ihm vorbei.
Zehn Minuten später meldete sich sein Funkgerät. Er zog es aus der Halterung und hörte zu. Der Mann in der Einsatzzentrale teilte ihm mit, dass Coldmoon in der Uniklinik eingetroffen sei und in Kürze operiert werde. Er sei in kritischem Zustand.
Als die Straße mit dem Tamiami Trail zusammenlief, kamen Pendergast weitere Streifenwagen entgegen. Der Shelby fuhr jetzt fast einhundertneunzig Stundenkilometer, Pendergasts silbrige Augen blickten weit nach vorn, seine ganze Konzentration war auf die Geschwindigkeit und die lange, gerade Straße gerichtet. Auf dem Rücksitz setzte Mister Brokenhearts seinen monotonen Vortrag fort.
Das Funkgerät knisterte erneut, er zog es aus der Halterung. »Pendergast hier.«
»Lieutenant Sandoval. Habe ich das richtig verstanden – dass Sie Brokenhearts mitbringen?«
»Ja.«
»Wir setzen uns mit dem FBI zusammen. Bringen Sie ihn direkt ins Hauptgebäude des FBI.«
»Verstanden. Und Coldmoon?«
»Wird operiert. Es tut mir leid – die Ärzte bezweifeln, dass sie ihn retten können. Dieser Dreckskerl Grove, kaum zu glauben …«
Pendergast hängte das Funkgerät in die Halterung zurück und drückte das Gaspedal weiter durch, sodass der Tacho des Shelby sich langsam auf zweihundertzwanzig Stundenkilometer zubewegte.
Er raste an einer Reihe von schäbigen Attraktionen am Straßenrand vorbei, mit jaulender Sirene, Autos fuhren auf beiden Seiten rechts ran, um Platz zu machen. Auf dem Rücksitz schaukelte Brokenhearts weiter langsam hin und her und murmelte dabei irgendetwas. Jetzt tauchten weitere Fahrzeuge auf, er näherte sich den westlichen Vororten, drosselte die Geschwindigkeit auf 160, dann 150. Nachdem er die Grenze zu den Everglades passiert hatte, kam er durch den Vorort Tamiami, dann Sweetwater, wo er wegen des dichten Verkehrs nur im Schritttempo vorankam.