Diesmal war es Pendergast, der antwortete. »Ronald Vance. Sohn von John Vance – des Mannes, zu dem wir nach Canepatch gefahren sind, um ihn zu vernehmen.«
»War John Vance der Alte auf der Veranda?«
»Nein. Das war ein Mann, der dort lebte und Propellerboote vermietete – möge er in Frieden ruhen.«
»Ronald Vance«, wiederholte Coldmoon nach einem Moment. »Und hat er dort gelebt – in Canepatch?«
»Nein«, sagte Dr. Fauchet. »Das war eine aufgelassene Alligatorenfarm, die früher mal den Großeltern von … na ja, das ist nicht wichtig. Wie auch immer, Brokenhearts selbst hat in Golden Glades gewohnt. Tarpon Court.«
»Wo ist das?«
»Etwa zwanzig Kilometer von hier. In einem hässlichen alten Haus.« Sie strahlte, konnte ihren Stolz kaum verbergen. »Ich war die, die die Adresse entdeckt hat.
»Sie sind da rausgefahren?«, fragte Coldmoon.
Die Gerichtsmedizinerin nickte.
»Und Sie sind da reingegangen? In Brokenhearts’ Haus?«
»Um Himmels willen, nein! Ich habe am Vorder- und Hintereingang angeklopft. Niemand hat mir geöffnet, und ihr alle seid nicht an eure Handys gegangen, also bin ich wieder weggefahren. Glaubt ihr etwa, ich würde in das Haus eines Serienmörders reinspazieren, ganz allein, ohne Unterstützung? Für was haltet ihr mich – eine Verrückte?«
Noch eine Krankenschwester betrat das Zimmer. »Mr Coldmoon braucht Ruhe«, erklärte sie den versammelten Anwesenden.
»Koffein«, sagte Coldmoon. »Was ich brauche, ist Koffein.«
»Sie haben schon einen schön frischen Kaffee abgelehnt, junger Mann.«
Coldmoon versuchte, sie böse anzuschauen, allerdings mit wenig Erfolg. Das Sprechen bewirkte, dass ihm der Hals wehtat. »Geben. Sie. Mir. Richtigen. Kaffee.«
Die Krankenschwester schüttelte den Kopf. »Armstrong Coldmoon, ich habe Ihnen doch schon einmal gesagt, dass es nur eine Möglichkeit gibt, dass Sie Ihre Art von Kaffee bekommen, und zwar dann, wenn Sie auf eigenen Beinen das Krankenhaus verlassen und ihn sich selber kochen können.«
Stille.
»Armstrong?«, wiederholte Pendergast.
»Was ist damit?«
»Ist das Ihr Taufname?«
»Das ist mein Vorname, ja.« Wieder wurde es still. Coldmoon wurde schließlich klar, dass man von ihm erwartete, das Schweigen zu brechen. »Mein Ururgroßvater hat Custer getötet. Hat jedenfalls dabei mitgeholfen. Auf Lakotisch übernimmt man manchmal den Namen des besiegten Feindes. Darum ist Armstrong seitdem ein Name in meiner Familie.«
»Mr Coldmoon braucht sein –«, fing die Krankenschwester wieder an, aber da hakte sich Fauchet schon bei der Frau unter und führte sie sanft, aber entschieden aus dem Zimmer, wobei sie sie mit Fragen über Coldmoons Medikamente bombardierte. Die drei Männer schauten zu, wie Fauchet die Tür schloss.
»Jedenfalls«, sagte Pickett, wandte sich um und machte sich kerzengerade, als wollte er eine offizielle Erklärung abgeben, »kann ich Sie jetzt davon in Kenntnis setzen, dass es in Washington eine offene Stelle als Executive Assistant Director bei der FBI-Außenstelle bei der Nationalen Sicherheitsbehörde gibt und man mir den Posten angeboten hat. Der erfolgreiche Abschluss des Falls hat bei diesem Angebot offenkundig eine Rolle gespielt.« Er räusperte sich. »Mag sein, dass ich ein anspruchsvoller Vorgesetzter bin, aber ich erkenne auch die Verdienste eines anderen an. Und deshalb, Agent Coldmoon, sollten Sie wissen, dass ich – zusätzlich zum FBI-Stern – den Schriftkram einleiten werde, damit Sie zum Senior Special Agent befördert werden.«
Coldmoon wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Vielen Dank, Sir.«
Aber Pickett hatte sich bereits zu Pendergast umgewandt. »Agent Pendergast. Wie ich erwähnt habe, gebührt Ihnen hier ein großer Teil der Ehre. Ich nehme an, ich könnte Sie zum Supervisory Special Agent befördern, aber ich bezweifle, dass Sie sich mit administrativen Aufgaben belasten möchten.«
Pendergast verbeugte sich leicht. »Das ist wohl wahr.«
Pickett sah auf die Uhr. »Also, bevor ich gehe, kann ich sonst noch etwas für Sie tun? In beruflicher Hinsicht, meine ich?«
»Doch, das können Sie tatsächlich. Erinnern Sie sich an die Übereinkunft, die wir kürzlich in jener Rooftop-Bar getroffen haben, was die Details meiner, ähm, die Parameter meiner Tätigkeit betrifft?«
Eine Wolke zog über Picketts Gesichtszüge, bevor er sie stoppen konnte. »Selbstverständlich. Und ich werde dafür sorgen, dass mein Nachfolger in der New Yorker Außenstelle auch weiterhin Ihre unorthodoxen Methoden anerkennt – vorausgesetzt natürlich, Sie halten Ihre beeindruckende Erfolgsbilanz aufrecht.«
»Ich werde mein Bestes geben.« Pendergast deutete seinen Dank mit einem Nicken an. »Damit bleibt nur noch eine Sache – der Charakter meines Arbeitsumfelds. Speziell die Frage, was meinen Partner angeht.« Sein Gesicht, blass im günstigsten Fall, wirkte jetzt wie Marmor. »Wie Sie sich ohne Zweifel erinnern, habe ich mich ursprünglich der Idee, mit Agent Coldmoon zusammenzuarbeiten, widersetzt. Jedoch möchte ich …« Er schien untypischerweise zu stocken. »Es sollte vermerkt werden –«