Schließlich erwachte er in einem Privatzimmer, das ein Stockwerk tiefer lag. Er hatte Hunger und Durst und zum ersten Mal Schmerzen. Man fütterte ihn, so gut es ging, und wieder wurde er, diesmal von anderen Ärzten, behandelt. Diese versicherten ihm, dass er durchkommen werde. Später erklärten sie ihm, dass er, wenn man das Kaliber der Waffe und die Lage seiner Wunde bedachte, sehr viel Glück gehabt habe. Zu diesem Zeitpunkt waren zwei weitere Tage vergangen, und er hatte sich genügend erholt, um sich über den Kaffee zu beschweren. Es war zum Verrücktwerden. Ihm wurden nur koffeinfreie Getränke gebracht. Schlimmer noch, er konnte den Leuten nicht erklären, wie man den Kaffee auf die richtige Art und Weise kochte. Im Pausenraum des medizinischen Personals gab es eine Kaffeemaschine, aber als er eine Schwester dazu überredet hatte, die Kanne auf der Warmhalteplatte stehen zu lassen, hatte es einen Schichtwechsel gegeben, und das Personal, das jetzt Dienst hatte, schüttete den abgestandenen Kaffee weg und braute eine neue Kanne. Wenn er sich beschwerte, sedierten sie ihn einfach, und er schlummerte wieder ein.
Wenn er aus dem Fenster schaute, sah er majestätische Königspalmen und einen klaren blauen Himmel, wie es ihn Anfang April häufig gab. Wenn das in diesem Tempo weiterging, würde er vielleicht nie genesen.
Die Tür ging auf, doch statt einer Krankenschwester betraten drei leicht verschwommene Gestalten das Zimmer. Coldmoon wandte sich um, um sie besser zu erkennen, wobei er wegen der Schmerzen leicht zusammenzuckte. Bei der ersten Gestalt handelte es sich, wie Coldmoon nach einem Moment erkannte, um seinen Chef, ADC Pickett. Neben ihm, in einem für sie typischen pastellfarbenen Kleid, stand Dr. Fauchet. Hinter diesen beiden erschien ein schwarzer Schatten, der schließlich die Gestalt von Agent Pendergast annahm. Sie alle blickten auf ihn herunter.
Coldmoon schluckte – was wehtat. »Wurde auch Zeit, dass Sie sich mal blicken lassen.«
»Ich war schon einmal hier«, sagte Pickett. »Aber Sie waren so high von den Schmerzmitteln, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern können.«
»Die haben mich erst jetzt zu Ihnen gelassen«, sagte Fauchet. »Man stelle sich das vor – mich, eine Ärztin.«
Pendergast sagte nichts. Und doch war Coldmoon irgendwie, dass er den Mann in den vergangenen Tagen mehr als einmal gesehen hatte – dieses blasse Gesicht und der schwarze Anzug, die über seinem Bett schwebten, die blassen Augen, der sorgenvolle Blick.
Eine der Schwestern, Estrellita, kam mit einem Becher Kaffee auf einem Plastiktablett ins Zimmer. Sie stellte es hin und wandte sich zum Gehen, aber Coldmoon hatte etwas dagegen. Mit enormer Anstrengung griff er nach dem Becher und nippte an dem Kaffee.
»Zu frisch«, sagte er und reichte ihr den Becher zurück. »Bringen Sie ihn mir wieder, wenn er ein paar Stunden auf der Warmhalteplatte gestanden hat.«
Die Schwester sah ihn böse an – wobei er hoffte, dass es sich dabei um vorgetäuschte Verärgerung handelte. Dann wandte sie sich Pickett zu. »Wenn Sie sich bemühten, die Entlassung von dem hier zu beschleunigen, würden wir das sehr zu schätzen wissen.«
Während sie das Zimmer verließ, trat Pickett einen Schritt näher und ergriff sanft Coldmoons Hand. »Glauben Sie, dass Sie sich an das erinnern werden, was ich gleich sagen werde?«
»Ich versuch’s.«
»Sie werden wieder gesund werden. Die Wunden heilen ab, Sie haben sich von dem Schock und dem Blutverlust erholt, und es gibt auch keine Anzeichen für eine Infektion. Ebenso wichtig: Sie sind ein Held. Sie werden den FBI-Stern bekommen.«
»Bin ich das?«, fragte Coldmoon.
»O ja«, erwiderte Pickett.
»Komisch, ich erinnere mich gar nicht, ein Held gewesen zu sein. Ich erinnere mich im Grunde an kaum etwas. Wir sind in Richtung dieser verfallenen Lodge gegangen, und dann ist uns der Boden unter den Füßen weggesackt.«
»So könnte man das ausdrücken.« Das hatte Pendergast gesagt.
»Apropos Helden«, fuhr Pickett fort. »Pendergast hier hat Ihnen die Haut gerettet und Brokenhearts festgenommen. Muss eine Art Premiere gewesen sein – dass er einen Täter lebendig zu uns bringt, meine ich. Wir hatten ihn für die Tapferkeitsmedaille vorgesehen, dann aber festgestellt, dass er die schon zweimal bekommen hat. Es hat keinen Sinn, ihn noch eingebildeter zu machen, als er ohnehin schon ist.«
Machte Pickett Witze? Anscheinend nicht. Sein Ton war recht freundlich, und da war auch ein leichtes Zucken um die Mundwinkel – mehr schaffte er wahrscheinlich nicht, wenn er lächeln wollte. Coldmoon versuchte, sich ein Stück weit im Bett aufzusetzen, überlegte es sich anders und legte sich wieder hin. Irgendwie konnte er keinen klaren Gedanken fassen, außerdem war er ständig müde. »Also. Will mir vielleicht mal jemand erklären, was passiert ist?«
»Die Details können warten«, fuhr Pickett fort. »Das Wichtige ist, dass Brokenhearts in Haft ist.«
»Wer ist er also?«