Jenny konnte es nicht ausstehen, »Jen-Mädel« genannt zu werden, doch tapfer folgte sie ihren Freundinnen in den Klub. Sie erhaschte gerade noch einen kurzen Blick auf das angestrahlte Schild über der Tür: ELECTRIC OCEAN.
Drinnen war es wahnsinnig dunkel, und es kam ihr vor, als würde der pulsierende Beat der Merengue-Platten, die ein DJ auflegte, die Luft nahezu vibrieren lassen. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erblickte Jenny in der Mitte des Raums eine große Tanzfläche. An der Wand links Sitzgruppen, vor der Wand rechts ein langer Bartresen. Beth und Megan hatten sich bereits auf die überfüllte Tanzfläche begeben. Jenny ging zu ihnen, drehte dann aber plötzlich ab und steuerte auf die Bar zu. Sie hatte schon einen kleinen Glimmer, aber wenn sie tanzen wollte, musste sie sich noch ein bisschen mehr Mut antrinken.
Der Barkeeper nahm ihren Zwanziger entgegen, schob ihr einen großen Wodka mit Cranberrysaft hin, legte dann fünf Einer auf die Theke. Jenny lehnte sich mit dem Rücken an den Tresen, nippte an ihrem Drink und beobachtete die schemenhaften Gestalten der Tanzenden, während diese in den flackernden Lichtstrahlen ins Blickfeld gerieten, dann wieder verschwanden. Ihre Freundinnen in der tanzenden Menge hatte sie aus den Augen verloren.
Beinahe ohne dass sie es richtig mitbekam, hatte der Barkeeper ihr leeres Glas abgeräumt und es durch ein volles ersetzt.
Sie drehte sich ihm zu.
»Ich hab gesagt, bist du
»Knöllchen? Was redest du denn da?«
Sie trank aus und verließ den Bartresen. In der vage sichtbaren mittleren Distanz, erhellt von kurzen, flackernden Lichtimpulsen, war eine von blauen Neonröhren gesäumte Treppe zu sehen, auf der Leute in einem steten Strom hinauf- und heruntergingen. Der Fiesling fing schon wieder an, ihr irgendwas hinterherzurufen, und um von ihm wegzukommen, drängelte sich Jenny zur Treppe hinüber und stieg sie hoch. Oben angekommen, fand sie sich vor einer zweiten Tanzfläche wieder, die genauso dunkel war, aber anstatt von Salsa-Rhythmen war die Luft von Techno-House erfüllt. Sie näherte sich der Tanzfläche, blieb am Rand stehen und überlegte, ob sie mittanzen und versuchen sollte, mit irgendwem Augenkontakt aufzunehmen. Allerdings fühlte sie sich nicht besonders gut. Es kam ihr vor, als würde der Tanzboden unter dem Gestampfe von Hunderten Partypeople ein bisschen schwanken, aber dann spürte sie, dass
Plötzlich merkte sie, dass sie unbedingt an die frische Luft musste. Die stickige Dunkelheit, die Nähe der schwitzenden Leiber, das unausweichliche Pulsieren der Laser, die dröhnenden Elektro-Beats und das wilde Geschrei – es war alles zu viel. Inzwischen panisch trotz der großen Menge Alkohol, löste sich Jenny aus dem Getümmel, rannte die Treppe hinunter – sie wäre heruntergefallen, wenn nicht so viele Leute vor ihr hinuntergestiegen wären – und strebte etwas taumelig der doppelflügeligen Tür zu, die auf den Ocean Drive führte.
Beim Anblick der Menschen auf dem Bürgersteig war sie irgendwie erleichtert. Sie ging ein paar Schritte, dann lehnte sie sich gegen die Fassade des Gebäudes und atmete tief ein und aus. Die Panikattacke verging.
Im selben Moment kamen zwei Gestalten auf sie zugelaufen. Jenny blinzelte im hellen Neonlicht und erkannte ihre Freundinnen.
»Ich hab mir schon gedacht, dass du das warst, die da an mir vorbeigerannt ist«, sagte Beth. »Was ist denn los?«
»Nichts«, sagte Jenny. »Sorry. Wollt ihr wieder reingehen?«
»Nö, da drin sind bloß jede Menge Fuckboys. Hey, hört mal zu. Ich hab von einem Klub gehört, der echt geil sein soll. Er liegt nicht weit weg von hier, nur ein, zwei Straßen.«
Jenny schnaufte tief durch. »Wisst ihr was? Geht ihr beide allein. Ich glaub, ich nehm mir ein Uber und fahr zurück ins Apartment.«
Beth war total enttäuscht. »Lass uns jetzt nicht hängen, Jen-Mädel.«
»Wirklich, ich bin echt blau. Macht nur, amüsiert euch. Wir sehen uns später.« Sie griff nach ihrem Mobiltelefon.