Fleming wandte den Blick von der Signallampe auf einer der Kameras ab, drehte sich zu ihrem Gast und setzte eine ernste Miene auf. Zwei der Kameras drehten sich in Richtung Pendergast. »Agent Pendergast, danke und herzlich willkommen.«
Pendergast nickte.
»Wie ich höre, sind Sie in New York beheimatet. Ich hoffe, Sie genießen unsere wunderschöne Stadt – auch wenn es einen unangenehmen Grund für Ihr Kommen gibt.«
»Miami ist in der Tat ein ganz reizender Ort.«
Ein dankbares Lächeln. »Aber vielleicht ist es ja nicht Ihr erster Besuch. Denn Ihrem Akzent entnehme ich, dass Sie nicht aus, wie wir hier sagen, dem hohen Norden kommen.«
»Das ist richtig. Ich bin in New Orleans aufgewachsen.«
»Wie schön.« Fleming sah auf einen kleinen, in den Holzboden eingelassenen Teleprompter, der, wie Coldmoon annahm, Stichworte für das Interview zeigte. »Was können Sie uns über die Fortschritte in dem Fall berichten? Vor allem seit diesem dritten brutalen Mord?«
»Nichts«, antwortete Pendergast.
Coldmoon merkte, dass sich Grove in der Dunkelheit hinter ihm unruhig bewegte.
Sollte die Antwort Fleming verblüfft haben, so verbarg sie das gekonnt. »Meinen Sie damit, dass man nichts Neues herausgefunden hat, seit der Brief des Killers in der Zeitung abgedruckt wurde?«
»Ich bitte um Verzeihung, Ms Fleming, aber Ihre Frage lautete, ob es etwas gebe, was ich Ihnen berichten kann.«
»Ah.« Die Frau nickte vielsagend und blinzelte in die Kamera. »Sie meinen damit also, es gibt mehrere Aspekte – Entwicklungen –, an denen Sie die Öffentlichkeit nicht teilhaben lassen können.«
»Das ist richtig.«
»Können Sie uns dann wenigstens mitteilen, ob Sie mit den Fortschritten in den Ermittlungen zufrieden sind?«
»Ich bin selten zufrieden. Wir haben jedoch gewisse Fragestellungen identifiziert.«
Fleming spielte mit – das musste Coldmoon ihr zubilligen – und kannte sich im Umgang mit unbequemen Gästen gut aus. »Das wird unsere Zuschauer bestimmt beruhigen. Mir ist zwar klar, dass es vieles gibt, das Sie uns nicht erzählen dürfen«, Fleming beugte sich etwas verschwörerisch zu Pendergast vor, »aber könnten Sie uns wenigstens wissen lassen, ob Sie kurz davorstehen, das Monster zu fassen?«
»Leider ist das etwas, was ich nicht vorhersagen kann. Es gibt jedoch einen Gefallen, um den ich Sie gern bitten würde.«
»Selbstverständlich.«
»Bitte hören Sie auf, den Täter als Monster zu bezeichnen.«
Coldmoon hörte, dass Grove tief Luft holte.
Das Lächeln der Frau gefror. »Es tut mir leid, wenn Sie mit dieser Charakterisierung nicht übereinstimmen. Aber stimmt es denn nicht, dass diese Person drei unschuldige Frauen brutal ermordet hat?«
»Das stimmt, ja.«
»Und als wäre das nicht schon genug, hat diese Person denn nicht die Herzen der Frauen herausgeschnitten und dazu verwendet, die Gräber von Selbstmordopfern zu dekorieren – womit sie noch mehr Leid über deren Familien bringt, als diese bereits erlitten haben?«
»Ja.«
»Dann, Agent Pendergast, frage ich Sie, warum dieses … dieses
»In
»Ja, aber –«
»Und ich glaube nicht, dass dies eine zutreffende Charakterisierung von Mister Brokenhearts ist. Er hat getötet, ohne Zweifel, aber nicht um des Tötens willen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Dass er kein Vergnügen daran hat. Ja, mehr noch, alle Indizien deuten darauf hin, dass das Motiv, warum er den Opfern die Kehle durchgeschnitten hat, ist, dafür zu sorgen, dass sie möglichst schnell und schmerzlos sterben. Reue, nicht der Mangel daran –
»Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Zuschauer das verstehen. Könnten Sie das näher erläutern?«
Pendergast wechselte den Blick von der Moderatorin zur nächststehenden Kamera. Immer noch sprechend, erhob er sich von seinem Platz.
»Mehr noch«, sagte er, »der Grund, warum ich hier bin, ist, dass ich mit Mister Brokenhearts sprechen möchte.«
»Agent Pendergast –«, setzte Carey Fleming an, doch Pendergast beachtete sie gar nicht. Er richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die Kamera.
»Mister Brokenhearts, ich weiß, dass Sie da sind, zuschauen und zuhören«, sagte Pendergast und ging langsam auf die Kamera zu, deren Kameramann etwas zurückfuhr, während Pendergast näher kam. »Und ich weiß auch, dass Sie nicht weit weg sind – überhaupt nicht weit weg.«
»Dieser Hundesohn«, hörte Coldmoon Grove murmeln. »Was
Pendergast redete weiter, seine sanfte, weiche Stimme erfüllte das Studio. »Sie sind kein Monster. Sie sind eine Person, die verletzt, möglicherweise sogar misshandelt worden ist.«
Auf einem Monitor sah Coldmoon, dass Pendergast sich der Kamera näherte, bis sein Kopf und die Schultern den Rahmen ausfüllten. »Ich weiß, Sie hatten ein fürchterliches Leben. Dass Sie seelisch verletzt wurden, dass Ihnen die Führung und Orientierung fehlte, der wir alle bedürfen, um Recht von Unrecht unterscheiden zu können.«