Während der restlichen Stunde machte keiner einen Mucks. Sie saßen da und schrieben das Kapitel über die Werwölfe aus dem Schulbuch ab, während Snape an den Pultreihen entlang Streife ging und die Arbeiten prüfte, die sie bei Professor Lupin geschrieben hatten.
»Ganz schlecht erklärt… das ist nicht richtig, der Kappa kommt häufiger in der Mongolei vor… Professor Lupin hat dafür acht von zehn Punkten gegeben? Bei mir hätten Sie keine drei bekommen…«
Als es endlich läutete, hielt Snape sie zurück.
»Sie schreiben einen Aufsatz über die Frage, wie man einen Werwolf erkennt und tötet. Ich will bis Montagmorgen zwei Rollen Pergament darüber sehen. Wird Zeit, daß einer die Klasse in den Griff kriegt. Weasley, Sie bleiben noch, wir müssen über Ihre Strafarbeit sprechen.«
Harry und Hermine gingen mit den andern hinaus und warteten, bis sie außer Hörweite waren, dann brachen sie in wüste Beschimpfungen über Snape aus.
»Snape hat sich noch nie dermaßen ausgelassen über unsere anderen Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste, auch wenn er die Stelle gerne haben wollte«, sagte Harry zu Hermine.»Warum hat er es auf Lupin abgesehen? Glaubst du, das liegt alles an diesem Irrwicht?«
»Ich weiß nicht«, sagte Hermine nachdenklich.»Aber ich hoffe wirklich, daß es Professor Lupin bald besser geht…«
Fünf Minuten später holte Ron sie ein, und er schäumte vor Wut.
»Wißt ihr, was dieser -«(er gebrauchte einen Namen für Snape, auf den hin Hermine»Ron!«rief)»- mir aufgehalst hat? Ich muß die Bettpfannen im Krankenflügel putzen! Ohne Zaubern!«Er atmete schwer und ballte die Fäuste.»Hätte sich Black doch nur in Snapes Büro versteckt! Er hätte ihn für uns erledigen können!«
Am nächsten Morgen wachte Harry ungewöhnlich früh auf, so früh, es war noch dunkel. Einen Moment lang glaubte er, das Heulen des Windes hätte ihn aufgeweckt, dann spürte er eine kalte Brise auf seinem Nacken und setzte sich jäh kerzengerade auf – Peeves, der Poltergeist, war ganz nahe an ihm vorbeigeschwebt und hatte ihm heftig ins Ohr gepustet.
»Was soll das denn?«, zischte Harry wütend.
Peeves blies die Backen auf, pustete kräftig und schwebte rücklings und gackernd aus dem Schlafsaal hinaus.
Harry tastete nach seinem Wecker und sah auf das Zifferblatt. Es war halb fünf Er verfluchte Peeves, drehte sich um und versuchte wieder einzuschlafen, doch nun, da er wach lag, konnte er den rollenden Donner über seinem Kopf das Rütteln des Windes an den Fenstern und das ferne Ächzen der Bäume im Verbotenen Wald nicht überhören. In ein paar Stunden würde er draußen auf dem Quidditch-Feld sein und gegen dieses Unwetter ankämpfen. Schließlich gab er die Hoffnung auf, wieder einzuschlafen, stieg aus dem Bett, zog sich an, griff nach seinem Nimbus Zweitausend und ging leise aus dem Schlafsaal.
Als Harry die Tür öffnete, streifte etwas sein Bein. Er bückte sich und bekam gerade noch Krummbeins Schwanzende zu fassen. Er zog ihn nach draußen.
»Weißt du, ich fürchte, Ron hat Recht mit dem, was er über dich sagt«, erklärte Harry Krummbein argwöhnisch.»Hier gibt es genug Mäuse, also geh und jag sie. Los, zieh ab«, fügte er hinzu und schubste Krummbein mit dem Fuß die Wendeltreppe hinunter,»und laß Krätze in Ruhe.«
Unten im Gemeinschaftsraum war das Tosen des Sturms noch lauter zu hören. Harry machte sich keine Illusionen. Sie würden das Spiel nicht absagen. Wegen solcher Kleinigkeiten wie Gewitterstürmen wurden die Quidditch-Partien nicht verschoben. Dennoch war ihm etwas beklommen zumute. Wood hatte ihm im Vorbeigehen Cedric Diggory gezeigt; er war ein Fünftkläßler und viel größer als Harry. Sucher waren normalerweise leicht und flink, doch Diggorys Gewicht war bei diesem Wetter von Vorteil, weil ihn der Sturm nicht so leicht vom Kurs blasen würde.
Harry vertrieb sich die Stunden bis zur Dämmerung vor dem Kamin; hin und wieder stand er auf und verscheuchte Krummbein, der schon wieder die Treppe zum Jungenschlafsaal emporschleichen wollte. Endlich war es Zeit fürs Frühstück und Harry kletterte durch das Porträtloch.
»Stelle dich und kämpfe, du räudiger Köter!«, rief Sir Cadogan.
»Ach, halt den Mund«, gähnte Harry zurück.
Über einer großen Schüssel Haferschleim erwachten seine Lebensgeister und als er mit dem Toast anfing, tauchte auch der Rest des Teams auf.
»Das wird ein beinhartes Ding«, sagte Wood, der keinen Bissen anrührte.
»Hör auf, dir Sorgen zu machen, Oliver«, beschwichtigte ihn Alicia,»das bißchen Regen macht uns doch nichts aus.«
Doch es war deutlich mehr als ein bißchen Regen. Quidditch war so beliebt, daß wie immer die ganze Schule auf den Beinen war, um das Spiel zu sehen, allerdings mußten sie mit eingezogenen Köpfen und gegen den Wind ankämpfend über den Rasen hinunter zum Spielfeld rennen, und der Sturm riß ihnen die Schirme aus den Händen. Kurz bevor Harry den Umkleideraum betrat, sah er, wie Malfoy, Crabbe und Goyle auf dem Weg zum Stadion unter einem riesigen Schirm hervor lachend auf ihn deuteten.